07.09.2017

Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG

§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist auch nach den Modifikationen durch das SEStEG dahin auszulegen, dass er nur für die Fälle auf § 17 EStG verweist, in denen der gemeine Wert der Anteile zu dem für die Besteuerung maßgebenden Zeitpunkt die Anschaffungskosten übersteigt.

Kurzbesprechung
BFH v. 26.4.2017 - I R 27/15

AStG § 6 Abs. 1 Satz 1
EStG § 17 Abs. 1 Satz 1

§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG bestimmt, dass bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts endet, auf Anteile i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden ist, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. An Stelle des Veräußerungspreises (§ 17 Abs. 2 EStG) tritt bei Anwendbarkeit des § 6 AStG der gemeine Wert der Anteile in dem nach § 6 Abs. 1 Satz 1 oder 2 AStG maßgebenden Zeitpunkt (§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG steht der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht nach Satz 1 die Begründung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts oder die Erfüllung eines anderen ähnlichen Merkmals in einem ausländischen Staat gleich, wenn der Steuerpflichtige auf Grund dessen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung als in diesem Staat ansässig anzusehen ist. Im Streitfall war eine derartige Ansässigkeit der Steuerpflichtigen in Österreich gegeben.

§ 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a. F. ist dahin auszulegen, dass er nur für die Fälle auf § 17 EStG verweist, in denen der gemeine Wert der Anteile zu dem für die Besteuerung maßgebenden Zeitpunkt die Anschaffungskosten übersteigt. Dies gilt auch für die aktuelle Gesetzesfassung. Der BFH hat hierzu klargestellt, dass sich an den zur alten Rechtslage angestellten Erwägungen durch die zwischenzeitlichen Rechtsänderungen nichts Grundlegendes geändert hat. Dies ergibt sich auch durch die Änderungen und Ergänzungen des § 6 AStG im Rahmen des SEStEG.

Außerdem ist § 6 Abs. 6 AStG zu beachten, wonach der Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, wenn im Falle der Beendigung der Stundung nach § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG (d.h. wegen Veräußerung des Anteils oder eines gleichgestellten Tatbestands) der Veräußerungsgewinn "niedriger als der Vermögenszuwachs nach Absatz 1" ist und die Wertminderung bei der Einkommensbesteuerung durch den Zuzugsstaat nicht berücksichtigt wird. § 6 Abs. 6 Satz 3 AStG bestimmt, dass die Wertminderung "höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses nach Absatz 1 zu berücksichtigen" ist. Die hier im Gesetz ausdrücklich erwähnte und in einen Gegensatz zum "Vermögenszuwachs" gesetzte "Wertminderung" der Anteile soll danach also nur dann Berücksichtigung finden können, wenn sie sich nach dem Wegzug durch Veräußerung oder einen gleichgestellten Tatbestand realisiert hat und soweit sie den zum Wegzugszeitpunkt vorhandenen (und unter Stundung besteuerten) Vermögenszuwachs nicht übersteigt.

Weiterhin ist zu beachten, dass sich durch die SEStEG - Änderungen § 6 AStG nicht zu einer umfassenden Entstrickungsvorschrift gewandelt hat, die auch die Berücksichtigung von zum Wegzugszeitpunkt gegebenen, noch nicht realisierten Wertverlusten erfordert. Auch kommt eine Saldierung von Veräußerungsergebnissen mehrerer von einem Steuerpflichtigen gehaltener Anteile nicht in Betracht. Letztlich hat der BFH auch keine unionsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung in den Fällen, in denen die Steuer nach Maßgabe von § 6 Abs. 5 AStG zu stunden ist.

BFH, Urteil vom 26.4.2017, I R 27/15, veröffentlicht am 6.9.2017.

Verlag Dr. Otto Schmidt