Wiedereinsetzungsantrag nach Einreichung einer mangels Unterzeichnung unwirksamen Berufungsbegründung
BGH v. 15.10.2019 - VI ZB 22/19 u.a.
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatzanspruch in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger rechtzeitig durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung ein. Die Begründungsfrist lief am 21.1.2019 ab. An diesem Tag ging per Fax eine Berufungsbegründungsschrift vom 17.1.2019 ein, die nicht unterschrieben war; auch das am 23.1.2019 eingegangene Original der Berufungsbegründung und die beglaubigten Abschriften wiesen keine Unterschrift auf.
Das OLG verwarf die Berufung wegen des Fehlens der Unterschrift unter der Berufungsbegründung als unzulässig. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, dass seine Mitarbeiterin entgegen der allgemeinen Anweisung den Schriftsatz hinausgegeben habe, ohne zu kontrollieren, ob er auch unterschrieben sei. Die Berufungsbegründung vom 17.1.2019 sei tatsächlich mit seinem Wissen und Willen herausgegeben worden, es habe sich nicht um einen Entwurf gehandelt. Dies hat er anwaltlich versichert.
Das OLG lehnte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt, weil er keine unterschriebene Berufungsbegründung zu den Akten gereicht habe. Die anwaltliche Versicherung, dass es sich bei der nicht unterschriebenen Berufungsbegründung nicht um einen Entwurf handle, sondern um einen Schriftsatz, der mit Wissen und Willen des Prozessbevollmächtigten des Klägers herausgegeben worden sei, könne die erforderliche Nachholung der Prozesshandlung nicht ersetzen.
Die gegen beide Beschlüsse gerichteten Rechtsbeschwerden des Klägers hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Verwerfung des Antrags des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist nicht zu beanstanden.
Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Frist kommt auch dann in Betracht, wenn die fristgebundene Prozesshandlung zwar rechtzeitig, jedoch unwirksam vorgenommen worden ist. Dies war hier der Fall. Die Berufungsbegründungsschrift war nicht unterschrieben. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung muss die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO), da mit der Unterschrift der Nachweis geführt wird, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernimmt.
Der Kläger hat die versäumte Prozesshandlung nicht, wie in § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgeschrieben, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nachgeholt. Er hat zu keinem Zeitpunkt eine unterschriebene und damit wirksame Berufungsbegründung zu den Akten gereicht. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die versäumte Prozesshandlung in der für sie vorgeschriebenen Form nachzuholen. Hat es der Rechtsmittelführer versäumt, eine unterschriebene und damit wirksame Rechtsmittelbegründung einzureichen, hat er somit bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einen unterschriebenen Begründungsschriftsatz nachzureichen.
Demgegenüber hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der (anwaltlich versicherten) Erklärung in dem Wiedereinsetzungsantrag, dass die eingereichte nicht unterzeichnete und damit unwirksame Berufungsbegründung mit dem Wissen und Willen des Rechtsanwalts herausgegeben worden sei und es sich nicht um einen Entwurf gehandelt habe, die versäumte Prozesshandlung nicht wirksam nachgeholt. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung besteht der Sinn der Unterschrift darin, die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung zu ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck zu bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen.
Von diesem Grundsatz sind zwar, worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist, Ausnahmen möglich. Wenn auch ohne die Unterschrift aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, darf deren Wirksamkeit nicht allein deshalb verneint werden, weil es an der Unterschrift fehlt. Die genannte Rechtsprechung zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften betrifft indes allein den Fall der erstmals eingereichten Rechtsmittelbegründung. Auf die Nachholung einer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag nach Einreichung einer mangels Unterzeichnung unwirksamen Begründung ist sie dagegen nicht übertragbar.
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Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatzanspruch in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Gegen dieses Urteil legte der Kläger rechtzeitig durch seinen Prozessbevollmächtigten Berufung ein. Die Begründungsfrist lief am 21.1.2019 ab. An diesem Tag ging per Fax eine Berufungsbegründungsschrift vom 17.1.2019 ein, die nicht unterschrieben war; auch das am 23.1.2019 eingegangene Original der Berufungsbegründung und die beglaubigten Abschriften wiesen keine Unterschrift auf.
Das OLG verwarf die Berufung wegen des Fehlens der Unterschrift unter der Berufungsbegründung als unzulässig. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung führte er aus, dass seine Mitarbeiterin entgegen der allgemeinen Anweisung den Schriftsatz hinausgegeben habe, ohne zu kontrollieren, ob er auch unterschrieben sei. Die Berufungsbegründung vom 17.1.2019 sei tatsächlich mit seinem Wissen und Willen herausgegeben worden, es habe sich nicht um einen Entwurf gehandelt. Dies hat er anwaltlich versichert.
Das OLG lehnte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe die versäumte Prozesshandlung nicht nachgeholt, weil er keine unterschriebene Berufungsbegründung zu den Akten gereicht habe. Die anwaltliche Versicherung, dass es sich bei der nicht unterschriebenen Berufungsbegründung nicht um einen Entwurf handle, sondern um einen Schriftsatz, der mit Wissen und Willen des Prozessbevollmächtigten des Klägers herausgegeben worden sei, könne die erforderliche Nachholung der Prozesshandlung nicht ersetzen.
Die gegen beide Beschlüsse gerichteten Rechtsbeschwerden des Klägers hatten vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Verwerfung des Antrags des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist nicht zu beanstanden.
Eine Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Frist kommt auch dann in Betracht, wenn die fristgebundene Prozesshandlung zwar rechtzeitig, jedoch unwirksam vorgenommen worden ist. Dies war hier der Fall. Die Berufungsbegründungsschrift war nicht unterschrieben. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung muss die Berufungsbegründung als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein (§§ 520 Abs. 5, 130 Nr. 6 ZPO), da mit der Unterschrift der Nachweis geführt wird, dass der Rechtsanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernimmt.
Der Kläger hat die versäumte Prozesshandlung nicht, wie in § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorgeschrieben, innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nachgeholt. Er hat zu keinem Zeitpunkt eine unterschriebene und damit wirksame Berufungsbegründung zu den Akten gereicht. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist die versäumte Prozesshandlung in der für sie vorgeschriebenen Form nachzuholen. Hat es der Rechtsmittelführer versäumt, eine unterschriebene und damit wirksame Rechtsmittelbegründung einzureichen, hat er somit bis zum Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist einen unterschriebenen Begründungsschriftsatz nachzureichen.
Demgegenüber hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der (anwaltlich versicherten) Erklärung in dem Wiedereinsetzungsantrag, dass die eingereichte nicht unterzeichnete und damit unwirksame Berufungsbegründung mit dem Wissen und Willen des Rechtsanwalts herausgegeben worden sei und es sich nicht um einen Entwurf gehandelt habe, die versäumte Prozesshandlung nicht wirksam nachgeholt. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung besteht der Sinn der Unterschrift darin, die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung zu ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck zu bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen.
Von diesem Grundsatz sind zwar, worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist, Ausnahmen möglich. Wenn auch ohne die Unterschrift aufgrund anderer, eine Beweisaufnahme nicht erfordernder Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründungsschrift übernommen hat, darf deren Wirksamkeit nicht allein deshalb verneint werden, weil es an der Unterschrift fehlt. Die genannte Rechtsprechung zur ausnahmsweisen Wirksamkeit nicht unterzeichneter Rechtsmittelbegründungsschriften betrifft indes allein den Fall der erstmals eingereichten Rechtsmittelbegründung. Auf die Nachholung einer Berufungsbegründung im Zusammenhang mit einem Wiedereinsetzungsantrag nach Einreichung einer mangels Unterzeichnung unwirksamen Begründung ist sie dagegen nicht übertragbar.
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