Wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Bestimmung des Umfangs des Rückforderungsanspruchs des Schenkers wegen Verarmung geboten
BGH 17.4.2018, X ZR 65/17Der klagende Landkreis begehrt aus übergeleitetem Recht den Ersatz des Werts einer Schenkung wegen Verarmung der Schenkerin. Die Eltern der Beklagten übertrugen dieser 1995 das Eigentum an einem Hausgrundstück in B. Dabei wurde das Eigentum mit einem unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrecht zugunsten der Eltern belastet. 2003 verzichteten die Eltern auf das Wohnungsrecht und bewilligten die Löschung des Rechts im Grundbuch. Die Beklagte vermietete die Wohnung fortan gegen eine Kaltmiete von 340 € mtl. an ihre Mutter. Im Jahr 2010 verstarb ihr Vater.
Nachdem sie pflegebedürftig geworden war, lebte die Mutter seit August 2012 in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Die zuvor von ihr bewohnte Wohnung stand zunächst leer; die Beklagte vermietete sie ab September 2013 gegen eine Kaltmiete von 360 € mtl. Der Kläger leistete vom 10.8.2012 bis zum Tod der Mutter am 30.3.2015 Hilfe zur Pflege i.H.v. insgesamt rd. 22.000 €. Der Kläger, der einen Rückforderungsanspruch der Mutter der Beklagten auf sich übergeleitet hat, nimmt die Beklagte in entsprechender Höhe auf Zahlung in Anspruch. Die Beklagte hat in Höhe der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechtsverteidigungskosten Widerklage erhoben.
Das LG wies Klage und Widerklage ab. Das OLG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 5.700 € nebst Zinsen; im Übrigen wies es die beiderseitigen Rechtsmittel zurück. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als das OLG zum Nachteil des Klägers entschieden hat, und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.
Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht angenommen, der Kläger könne von der Beklagten nur eine Zahlung in Höhe der von September 2013 bis März 2015 erwirtschafteten Mietüberschüsse verlangen. Der von der Beklagten zu ersetzende Wert der Schenkung ist vielmehr nach dem Wertzuwachs des Grundstücks zu bemessen, der im August 2012 noch aus dem im Jahr 2003 eingetretenen Wegfall der dinglichen Belastung mit dem Wohnungsrecht fortbestand. Zudem hat die Beklagte auch die Nutzungen herauszugeben, die sie bereits seit der Schenkung aus dem Geschenk gezogen hat.
Der Rückforderungsanspruch des § 528 BGB bezweckt, den Schenker vor einer wirtschaftlichen Notlage zu bewahren, solange der Beschenkte durch das Geschenk weiterhin bereichert ist. Ihm liegt wie der Einrede aus § 519 BGB das Ziel zugrunde, eine solche Notlage nicht entstehen oder fortbestehen zu lassen, während der Beschenkte durch das Geschenk ohne Gegenleistung weiterhin bereichert wäre. Der Freigiebigkeit des Schenkers soll im beiderseitigen Interesse eine für ihn auskömmliche Vermögenslage zugrunde liegen. Fällt diese Vermögenslage innerhalb von zehn Jahren weg (§ 529 Abs. 1 Alt. 3 BGB), während die Bereicherung beim Beschenkten noch vorhanden ist, bedarf es deshalb der Herausgabe der Bereicherung, um die wirtschaftliche Notlage des Schenkers auszugleichen.
Mit dem Rückforderungsanspruch gilt es, die Vermögenslage des Beschenkten so aus einer Notlage zu führen, als hätte es das Geschenk nicht gegeben. Zur Bestimmung des Umfangs des Herausgabeanspruchs gem. § 528 Abs. 1 S. 1 ist deshalb eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Herauszugeben ist nicht nur der ursprünglich geschenkte Gegenstand. Bei einem wirtschaftlich nutzbaren Gegenstand, der das Vermögen des Beschenkten nicht nur mit dem Wert dieses Gegenstandes, sondern auch mit der Möglichkeit bereichert, Nutzungen daraus zu ziehen, sind vielmehr auch die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
Soweit wie im Streitfall die Herausgabe des geschenkten Gegenstandes selbst nicht möglich und stattdessen deshalb gem. § 818 Abs. 2 BGB dessen Wert zu ersetzen ist, kommt es für die Bestimmung der Anspruchshöhe auf den objektiven Wert dieses Gegenstandes an. Den besten Anhaltspunkt für diesen Wert bildet im Zweifel der Verkehrswert, da er den Geldwert widerspiegelt, für den der Gegenstand für denjenigen erhältlich ist, der ihn erwerben möchte, und den derjenige erzielen kann, der ihn veräußern möchte. Bei Verzicht auf ein Wohnungsrecht ist deshalb die hierdurch eintretende Erhöhung des Verkehrswerts des Grundstücks auszugleichen. Dieser Wert findet in der für einen solchen Verzicht am Markt üblichen Gegenleistung seinen Ausdruck.
Das der Beklagten von ihrer Mutter gemachte Geschenk bestand, wie das OLG an sich zutreffend gesehen hat, in dem Verzicht auf das Wohnungsrecht und die damit verbundene dingliche Belastung des Grundstücks. Die Beklagte erhielt mit anderen Worten ein (insoweit) lastenfreies Grundstück anstelle des bis dahin mit dem Wohnungsrecht belasteten. Hierdurch hat sich der Grundstückswert erhöht. Der vom Berufungsgericht nicht festgestellte, im August 2012 jedoch noch vorhandene Betrag dieser Erhöhung bildet den Wert des Geschenks und damit die Obergrenze des Rückforderungsanspruchs nach § 528 BGB. Darüber hinaus schuldet die Beklagte die Herausgabe der Bereicherung, die sich aus der mit der Schenkung eingetretenen, wirtschaftlichen Möglichkeit zur Nutzung des geschenkten Gegenstandes ergeben hat.
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