Wirtschaftsüberlassungsvertrag: Leistungen des Nutzungsberechtigten als Betriebsausgaben
KurzbesprechungEStG § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 3, § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 12 Nr. 1, § 12 Nr. 2
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
Der Steuerpflichtige erzielte aus der Bewirtschaftung des im Eigentum seiner Eltern stehenden Hofes, auf dem er zusammen mit seinen Eltern auch wohnte, Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Mit Nutzungsüberlassungsvertrag vom 1.7. 2008 überließen die Eltern dem Steuerpflichtigen, der als Erbe des Hofes vorgesehen war, ab dem 1.7. 2008 die Nutzung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebs. Ausgenommen war lediglich die Wohnung der Eltern. Die Pachtflächen wurden mit Zustimmung des Verpächters an den Steuerpflichtigen unterverpachtet. Die Nutzungsüberlassung war bis zum 30.6. 2018 vereinbart; sie verlängerte sich auf unbestimmte Zeit, falls sie nicht gekündigt wurde.
Dem Steuerpflichtigen oblag die ordnungsgemäße Bewirtschaftung des Betriebs, insbesondere die übliche Unterhaltung der zur Nutzung überlassenen Sachen einschließlich der Wirtschaftsgebäude, Wege, Gräben, Dränagen, Einfriedungen usw., solange diese nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten durch laufende Ausbesserungen erhalten werden konnten.
Als "Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung" wurden monatliche Barzahlungen, die Übernahme von Sachleistungen in Form der Übernahme der Heizungs-, Strom-, Wasser-, Abwasser- und Müllabfuhrkosten sowie der Unterhaltungsaufwendungen, die in der von den Eltern auf der Hofstelle genutzten Wohnung anfallen, vereinbart. Außerdem werden vom Nutzungsberechtigten die Kosten der Lebenshaltung für die Überlasser übernommen.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2009 machte der Steuerpflichtige "dauernde Lasten aus Wirtschaftsüberlassungsvertrag" in Höhe von insgesamt 3.520 € geltend, die in Höhe von 2.400 € auf Barleistungen und in Höhe von 1.120 € auf Sachleistungen entfielen. Das FA ließ dagegen den begehrten Sonderausgabenabzug unberücksichtigt. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Im Revisionsverfahren sah der BFH dies jedoch differenzierter. Er entschied, dass durch den Abschluss eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags zwei land- und forstwirtschaftliche Betriebe, nämlich ein wirtschaftender Betrieb des Nutzungsberechtigten und ein Eigentümerbetrieb des Nutzungsverpflichteten entstehen. Der Abschluss eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags führt ebenso wie der Übergang von der Eigenbewirtschaftung zur Betriebsverpachtung bei fehlender ausdrücklicher Aufgabeerklärung nicht zur Einstellung der betrieblichen Tätigkeit des Hofeigentümers; der Betrieb wird vielmehr - wenn auch in anderer Form - fortgeführt. Auf Seiten des Nutzungsberechtigten bildet der Wirtschaftsüberlassungsvertrag die Rechtsgrundlage für das Nutzungsrecht, durch das er Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs werden kann. Der Wirtschaftsüberlassungsvertrag wird hinsichtlich der Nutzungsüberlassung somit einkommensteuerrechtlich wie ein Pachtverhältnis behandelt.
Nach der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG durch das JStG 2008 sind auf einem Wirtschaftsüberlassungsvertrag beruhende Leistungen des Nutzungsberechtigten an den Überlassenden zwar nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar, da es insoweit an der nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut erforderlichen "Übertragung" begünstigten Vermögens fehlt.
Jedoch können Leistungen beim Nutzungsberechtigten als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG und beim Überlassenden als Betriebseinnahmen (Betriebsvermögensmehrungen) zu erfassen sein. Vertraglich können dabei sowohl Geld- als auch Sach- und Dienstleistungen vereinbart sein. Zivilrechtlich ist anerkannt, dass eine Miete oder Pacht nicht nur in Geld, sondern auch in geldwerten Leistungen bestehen kann.
Eine (geringe) Barpacht und zusätzliche altenteilsähnliche Leistungen können daher auch steuerrechtlich als Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung eingeordnet werden. Selbst wenn der Nutzer ein sehr niedriges Entgelt zahlt (sog. Gefälligkeitsmiete), das weit hinter dem üblichen Entgelt zurückbleibt, handelt es sich trotzdem um Miete bzw. Pacht und nicht um Leihe als unentgeltliche Nutzungsüberlassung. Steuerlich steht es der Anerkennung eines Wirtschaftsüberlassungsvertrags zwischen nahen Angehörigen und damit dem Abzug der Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung als Betriebsausgabe ebenfalls nicht entgegen, dass eine unangemessen niedrige Gegenleistung vereinbart wurde, sofern das Missverhältnis nicht auf einen Mangel des geschäftlichen Bindungswillens schließen lässt.
Übersteigen die Leistungen des Nutzungsberechtigten hingegen das marktübliche Entgelt, kann es sich insoweit um gemäß § 12 Nr. 2 EStG nicht als Betriebsausgaben abziehbare Unterhaltsleistungen handeln.
Im Streitfall hatte das FG dem Nutzungsüberlassungsvertrag zu Unrecht insgesamt die steuerliche Anerkennung versagt. Denn er wurde zivilrechtlich wirksam unter volljährigen und wirtschaftlich voneinander unabhängigen Verwandten abgeschlossen und wies in Bezug auf den Steuerpflichtigen eine große Nähe zur Erzielung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf. Auch war ein privater Grund für die Nutzung des dem Steuerpflichtigen aufgrund des Vertrages überlassenen Betriebsvermögens nicht erkennbar. Der hiernach vorliegende eindeutig betriebliche Anlass des Vertrages ist auch bei der Intensität der erforderlichen Prüfung der Fremdüblichkeit der einzelnen Vertragsbestimmungen zu berücksichtigen.
Im Streitfall waren Bar - und Sachleistungen klar und eindeutig geregelt. Lediglich hinsichtlich der Übernahme der Lebenshaltungskosten der Eltern fehlte es an einer ertragsteuerlich anzuerkennenden Vereinbarung. Dies führte jedoch nicht dazu, dem Nutzungsüberlassungsvertrag insgesamt die steuerliche Anerkennung zu versagen war. Eine solche Rechtsfolge darf nach Auffassung des BFH nur gezogen werden, wenn der dem Fremdvergleich nicht standhaltenden vertraglichen Regelung ein derartiges Gewicht zukommt, dass dies unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse eine Nichtanerkennung des gesamten Vertragsverhältnisses rechtfertigt. Dies war im Streitfall jedoch nicht gegeben.
Vielmehr konnte die Übernahme der Lebenshaltungskosten aus dem Vertragsverhältnis des Steuerpflichtigen zu seinen Eltern über die Nutzungsüberlassung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs abgespalten und der familiären Nähebeziehung zugeordnet werden, ohne dass sich daraus Konsequenzen für die ertragsteuerliche Anerkennung des Vertrages im Übrigen ergaben.
Dagegen waren die fremdüblichen und tatsächlich erbrachten Leistungen steuerlich zu berücksichtigen, sofern sie im Verhältnis zur Nutzungsüberlassung nicht so niedrig sind, dass sie schlechterdings nicht mehr eine Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung sein können und deshalb angenommen werden muss, dass die Beteiligten sich nicht rechtsgeschäftlich haben binden wollen. Davon konnte im Streitfall aber keine Rede sein, so dass die vom Steuerpflichtigen erbrachten Barzahlungen sowie unbare Altenteilsleistungen abziehbaren waren, nicht dagegen die Beköstigung der Eltern, weil es insoweit an einer ertragsteuerlich anzuerkennenden Vereinbarung des Steuerpflichtigen mit seinen Eltern fehlte.
BFH, Urteil vom 12.7.2017, VI R 59/15, veröffentlicht am 27.9.2017.