Wohnungseigentümerbeschluss zur Anordnung der rückwirkenden Fortgeltung eines bereits abgelaufenen Wirtschaftsplanes nicht nichtig
LG Saarbrücken 21.6.2013, 5 S 141/12Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft begehrt von den beiden Beklagten, die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft sind, Wohngeldvorauszahlungen ab Juni 2009 i.H.v. ursprünglich 4.642 €. Die Forderung wird gestützt auf den Wirtschaftsplan für das Jahr 2008. Die Wohnungseigentümer haben durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss vom 26.10.2010 beschlossen, dass der Wirtschaftsplan für das Jahr 2008 fortgilt bis zum 31.12.2010.
Das AG gab der Klage teilweise - in Höhe eines Teilbetrages von 4.009 € - statt. Der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 26.10.2010 über die Fortgeltung des Wirtschaftsplanes 2008 sei gültig. Den Beklagten stehe auch kein Zurückbehaltungsrecht zu. Für die drei Monate des Jahres 2011 bestehe keine Rechtsgrundlage für die eingeklagte Forderung, so dass die Klage in diesem Umfang abzuweisen war. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem LG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die noch im Streit stehende Wohngeldvorauszahlungsforderung für den Zeitraum Juni 2009 bis Dezember 2009 ist begründet auf Grund des Wirtschaftsplanes für das Jahr 2008. Die Gültigkeitsdauer dieses Wirtschaftsplanes ist durch den unangefochtenen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer vom 26.10.2010 verlängert worden bis zum 31.12.2010.
Dieser Verlängerungsbeschluss ist auch nicht nichtig. Gem. § 23 Abs. 4 S. 1 WEG ist ein Wohnungseigentümerbeschluss nichtig, wenn er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Außerdem kann sich die Nichtigkeit eines Beschlusses daraus ergeben, dass dieser Beschluss seinem Inhalt nach gegen zwingende Vorschriften oder gegen die guten Sitten verstößt, dass er in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift oder dass den Wohnungseigentümern keine Beschlusskompetenz eingeräumt ist. Derartige Nichtigkeitsgründe sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Insbes. ist den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz eingeräumt sowohl für die Billigung des Wirtschaftsplanes (vgl. § 28 Abs. 5 WEG), als auch für die Verlängerung seiner ursprünglichen Geltungsdauer. Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer fehlt nur dann, wenn eine generelle Fortgeltung aller künftigen Wirtschaftspläne mehrheitlich beschlossen werden soll. Die Nichtigkeit des Fortgeltungsbeschlusses vom 26.10.2010 ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verwalter gem. § 28 Abs. 3 WEG nach Ablauf des Kalenderjahres eine Jahresabrechnung aufzustellen hat.
Das Ziel des vorliegend rückwirkenden Fortsetzungsbeschlusses besteht darin, der Wohnungseigentümergemeinschaft die erforderliche wirtschaftliche Liquidität zu verschaffen; der Fortsetzungsbeschluss hat somit ähnliche Wirkungen, wie eine Sonderumlage. Eine Sonderumlage stellt eine nachgeschobene Ergänzung eines Wirtschaftsplanes dar. Sie dient dazu, in der Wohnungseigentümergemeinschaft aufgetretene Finanzlücken kurzfristig zu schließen. Die auf die Sonderumlage erbrachten Zahlungen der einzelnen Wohnungseigentümer müssen - ebenso wie die Wohngeldvorauszahlungen - in der Jahresabrechnung Berücksichtigung finden.
Es kann offen bleiben, ob ein solcher Wohnungseigentümerbeschluss, mit dem entweder die rückwirkende Fortgeltung einer Jahresabrechnung angeordnet oder - dem gleichbedeutend - eine entsprechende Sonderumlage festgelegt wird, unter Umständen wegen des Vorrangs der Erstellung einer Jahresabrechnung anfechtbar ist. Wird dieser Beschluss jedoch - wie hier - nicht innerhalb der Monatsfrist des § 46 Abs. 2 S. 2 WEG gerichtlich angefochten, so ist gem. § 23 Abs. 4 S. 2 WEG grundsätzlich von der Gültigkeit dieses Beschlusses auszugehen.
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