08.10.2014

Wucher: Kauf von Eigentumswohnungen weit unter Wert durch Immobilienmakler bei finanziellen Problemen der Verkäufer nichtig

Kauft ein Immobilienunternehmen im Wissen um finanzielle Schwierigkeiten der Eigentümer zwei Eigentumswohnungen zu einem Preis, der um mehr als die Hälfte unter dem tatsächlichen Wert der Wohnungen liegt, und nutzt es so die besondere Schwächesituation der Verkäufer aus, so sind die Kaufverträge aufgrund des besonderes groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wegen Wuchers nichtig. Eine Vereinbarung zum Abschluss eines Mietvertrages mit den Verkäufern beseitigt den wucherischen Charakter des Verkaufs nicht.

OLG Oldenburg 2.10.2014, 1 U 61/14
Der Sachverhalt:
Die Kläger waren Eigentümer zweier Eigentumswohnungen. Als sie in finanzielle Schwierigkeiten gerieten und die auf den Immobilien lastenden Kreditverbindlichkeiten nicht mehr bedienen konnten, drohte die Zwangsversteigerung. In dieser Situation bot ihnen die beklagte Wohnungsmaklergesellschaft zunächst an, sie bei der Veräußerung ihrer Wohnungen zu unterstützen. Als die Beklagte bis zum Ablauf der Frist für einen freihändigen Verkauf der Wohnungen keine Käufer vermitteln konnte, bot sie selbst den Erwerb der Wohnungen an und erklärte gleichzeitig, diese an die Kläger wieder vermieten zu wollen.

Die Kläger willigten ein und veräußerten die Wohnungen zu einem Preis von insgesamt 90.000 €. Der Erlös war gerade ausreichend, um die offenen Verbindlichkeiten tilgen zu können. Den freien Restbetrag von 27 Cent zahlte die Beklagte den Klägern in bar aus. Tatsächlich hatten die Wohnungen zum Zeitpunkt des Verkaufs nach den Feststellungen eines Sachverständigen einen Verkehrswert von 187.000 €. Die Kläger halten die Kaufverträge wegen Wuchers für nichtig.

Das LG gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung statt und entschieden, dass in das Grundbuch ein Vermerk über den fehlerhaften Eigentumsübergang auf die Maklerin aufgenommen werden muss. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Das Urteil ist unanfechtbar. Die etwaige weitere Rückabwicklung des Kaufvertrages zwischen den Klägern und der Maklerin bedarf einer gesonderten Klärung.

Die Gründe:
Die Kaufverträge über die zwei Eigentumswohnungen sind wegen Wuchers nichtig. Leistung und Gegenleistung stehen in einem besonders groben Missverhältnis, da der tatsächliche Wert der Eigentumswohnungen mehr als doppelt so hoch ist, wie der vereinbarte Kaufpreis.

Darüber hinaus hat die Beklagte eine auf einer Zwangslage beruhende besondere Schwächesituation der Kläger ausgenutzt. Sie wusste, dass die Zwangsversteigerung der Immobilien unmittelbar bevorstand und die Kläger damit rechneten, ihre Wohnungen zu verlieren und ausziehen zu müssen. Diese Zwangslage hat sie sich bewusst zunutze gemacht und den Erwerb der Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis von lediglich 90.000 € initiiert. Dass ihr dabei das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bekannt war, liegt bereits deshalb nahe, weil es sich bei der Verfügungsbeklagten um ein in der Region tätiges Immobilienunternehmen handelt, das im Bereich An- und Verkauf von Grundstücken und Eigentumswohnungen tätig ist.

Hinzu kommt, dass die Beklagte die Wohnungen innerhalb von nur etwa fünf Monaten zu einem Gesamtkaufpreis von 160.000 € weiterveräußert hat. Zudem bot sie den Klägern den Rückkauf der Wohnungen zu einem Kaufpreis von insgesamt 150.000 € an, als die Kläger den Geschäftsführer der Beklagten auf die Umstände des beabsichtigten Weiterverkaufs ansprachen. Die Vereinbarung zum Abschluss des Mietvertrages mit den Klägern beseitigt den wucherischen Charakter des Verkaufs nicht. Trotz Abschlusses der Mietverträge stand nicht fest, dass die Kläger auf Dauer bzw. zumindest für längere Zeit in den Wohnungen bleiben können. Vielmehr hatten die neuen Erwerber der Eigentumswohnungen bereits angekündigt, die Mietverträge wegen Eigenbedarfs zu kündigen.

OLG Oldenburg PM vom 7.10.2014
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