Zeche Zollverein: Schienen stellen eine typische Gefahrenlage dar
OLG Hamm 9.6.2016, 6 U 35/16Die seinerzeit 64 Jahre alte Klägerin aus den Niederlanden hatte im Juli 2013 die von der beklagten Stiftung unterhaltene Zeche Zollverein besucht. Dabei war sie mit einem Fahrrad über die denkmalgeschützten Flächen der ehemaligen Industrieanlage gefahren. Ein in Richtung Schacht 3/7/10 verlaufender Fuß- und Radweg kreuzt dort die Katernberger Straße. Auf dem Fuß- und Radweg und auch im Kreuzungsbereich verlaufen alte Bahnschienen. Diese sind auf dem Fuß- und Radweg in Asphalt eingebettet, während sie im aus Betonteilen bestehenden Kreuzungsbereich der Straße ihren ursprünglichen Zustand aufweisen, so dass zwischen dem Beton und den Schienen Zwischenräume aus losem Erdreich existieren.
Beim Überqueren der Kreuzung geriet die Klägerin mit dem Vorderreifen ihres Fahrrades in die Rille einer Schiene und stürzte. Sie fiel auf den Kopf und zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu, das operativ versorgt werden musste. Unter Hinweis auf eine vermeintliche Verkehrssicherungspflichtverletzung verlangte die Klägerin von der Beklagten rund 9.000 € materiellen Schadensersatz und ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 €.
Das LG wies die Klage ab. Das Gericht konnte keine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten feststellen. Auch die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Nach einem Hinweis des OLG hatte die Klägerin ihre Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil (Az. 1 O 76/15) zurückgenommen.
Die Gründe:
Die Klägerin war an einer Stelle gestürzt, die als Gefahrenquelle offensichtlich war. Auf Radwegen kann ein Radfahrer nicht mit einer ebenen, schadlosen und von Hindernissen befreiten Fahrbahn rechnen. Er muss vielmehr die gegebenen Verhältnisse so hinnehmen wie sie sich ihm erkennbar darbieten und sein Fahrverhalten entsprechend anpassen. Insbesondere im Bereich von Schienen oder in die Fahrbahn eingelassenen Gleisen müssen sich Radfahrer auf die typischen damit verbundenen Gefahren einstellen. Dazu gehört auch die naheliegende Gefahr, mit Reifen in eine Schienenspur zu gelangen und dadurch die Lenkfähigkeit des Fahrrades zu verlieren. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die Gleisanlage vom übrigen Straßenbelag deutlich abhebt und der Schienenverlauf gut sichtbar ist.
Bei der an der Unfallstelle in den Straßenbelag eingelassenen Gleisanlage im vorliegenden Fall handelt es sich um ein schon von weitem sichtbares Hindernis, das zudem vor dem Kreuzungsbereich durch in die Straße eingelassene, rot-weiß markierte Pfeiler als solches angekündigt wird. Die für einen Radfahrer und auch die Klägerin erkennbar auf die Kreuzung zu laufenden und im Kreuzungsbereich deutlich sichtbaren Schienen stellen eine typische Gefahrenlage dar, auf die sich die Klägerin als Radfahrerin hätte einstellen müssen. Vor dieser Gefahrenlage musste die Beklagte gerade nicht durch zusätzliche Hinweisschilder warnen.
Der Umstand, dass die Schienen an anderen Stellen auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Zeche mit Asphalt verfüllt wurden, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Zeche Zollverein ist - dies stelle eine Besonderheit des Falles dar - ein Industriedenkmal. Sinn und Zweck eines solchen Denkmals ist es, den Besuchern bauliche Besonderheiten der Anlage möglichst originalgetreu nahezubringen. Zu den baulichen Besonderheiten der Zeche Zollverein gehört u.a. der zum Rangieren von Gütern bestimmte Gleisbereich der Anlage, der im Unfallbereich im ursprünglichen Zustand belassen wurde und daher nur mit losem Erdreich verfüllt ist. Aufgrund dieses Charakters der Anlage konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass der Radweg an allen Stellen des ehemaligen Betriebsgeländes frei von nicht asphaltierten Schienen oder weiteren Gefahrenquellen ist, auch wenn Schienen an weniger exponierten Stellen bündig in den Asphalt eingelassen sind.
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