03.05.2012

Zinsen und vorprozessuale Anwaltskosten sind bei Erledigung der Hauptforderung selbst als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen

Zinsen und vorprozessuale Anwaltskosten sind als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, wenn der Hauptanspruch selbst übereinstimmend ganz oder teilweise für erledigt erklärt worden ist. In einem solchen Fall wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung gelöst hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt.

BGH 4.4.2012, IV ZB 19/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger begehrt aus einer bei der Beklagten gehaltenen privaten Krankenversicherung Erstattung von Arztkosten i.H.v. ursprünglich insgesamt 810 € und vorprozessualen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 186 €, jeweils nebst Zinsen. In erster Instanz erklärten die Parteien nach einer Zahlung der Beklagten i.H.v. 170 € den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt.

Das AG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung weiterer 70 €; im Übrigen wies es die Klage ab. Das LG verwarf die Berufung des Klägers als unzulässig, weil die Beschwer des Klägers lediglich 570 € betrage und damit nicht die Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erreiche. Die auf den erledigten Teil der Hauptforderung anfallenden Nebenforderungen seien durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht zur Hauptforderung geworden.

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die Berufung des Klägers kann nicht mit der vom LG gegebenen Begründung verworfen werden. Der Wert des Beschwerdegegenstands der Berufung übersteigt die Wertgrenze von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat verkannt, dass mit der Berufung weiterverfolgte Nebenforderungen i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO bei der Rechtsmittelbeschwer zu berücksichtigen sind, soweit sie Hauptforderung geworden sind. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erhöhen die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den (Streitwert und) Wert der Beschwer zwar nicht, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache noch im Streit ist.

Etwas anderes gilt aber für den Anspruch auf Zinsen und Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten. Diese erhöhen als Nebenforderungen den Streitwert und die Beschwer nicht, solange sie neben dem Hauptanspruch geltend gemacht werden, für dessen Verfolgung die Zinsen und Rechtsanwaltskosten angefallen sind. Sobald und soweit die Hauptforderung jedoch nicht mehr Prozessgegenstand ist, etwa weil eine auf die Hauptforderung oder wie hier auf einen Teil der Hauptforderung beschränkte Erledigung beiderseitig erklärt worden ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung gelöst hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt.

Hieraus folgt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes hier 600 € übersteigt und die Berufung zulässig ist. Von der ursprünglich geltend gemachten Hauptforderung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens noch der nicht zugesprochene Teilbetrag von 570 €. Selbst wenn nur prozentual anteilig in Höhe des für erledigt erklärten Teils die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten hinzugerechnet werden, übersteigt der Beschwerdewert die Wertgrenze von 600 € (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), ohne dass es noch auf die darüber hinaus gesondert geltend gemachten Zinsen ankommt.

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