Zu dem im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs zu bestimmenden Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück
BGH 13.5.2015, IV ZR 138/14Die Parteien streiten über Pflichtteilsansprüche der Klägerin, insbesondere über die Bewertung des Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück. Die Klägerin ist das einzige Kind der im Mai 2006 verstorbenen Erblasserin. Diese war geschieden und lebte seit 1998 mit dem Beklagten zusammen. Mit Grundstückskaufvertrag von 1999 erwarben sie zum Kaufpreis von 235.000 DM ein Reihenhaus als Miteigentümer je zur ideellen Hälfte, das sie in der Folge gemeinsam bewohnten. Die Erblasserin errichtete im April 2001 ein notarielles Testament, mit dem sie den Beklagten zu ihrem Alleinerben bestimmte.
Die Klägerin machte in der Folge mit einer Stufenklage gegen den Beklagten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche, auf erster Stufe einen Anspruch auf Auskunft u.a. betreffend die Finanzierung des mit der Erblasserin erworbenen Hausgrundstücks geltend. In der Berufungsinstanz erklärten die Parteien die erste Stufe der Klage übereinstimmend für erledigt. Auf der zweiten Stufe verlangte die Klägerin Zahlung von rd. 41.000 € nebst Zinsen.
Das LG gab der Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Verkehrswert des Hausgrundstücks teilweise statt und verurteilte den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von rd. 11.000 € nebst Zinsen. Das OLG änderte das Urteil teilweise ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von rd. 7.700 € nebst Zinsen. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der im Rahmen eines Pflichtteilsanspruchs zu bestimmende Wert einer nachlassgegenständlichen Miteigentumshälfte an einem Hausgrundstück dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entspricht, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist.
Der Pflichtteilsberechtigte hat nach § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des Werts seines gesetzlichen Erbteils. Für die Bemessung des Anspruchs stellt § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Bestand und den Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalles ab. Der Pflichtteilsberechtigte ist wirtschaftlich so zu stellen, als sei der Nachlass beim Tod des Erblassers in Geld umgesetzt worden. berücksichtigen sind daher alle naheliegenden und wirtschaftlich fassbaren zum Stichtag im Keim angelegten Entwicklungen. Bei der Berechnung des Pflichtteils ist zu ermitteln, welchen Verkaufserlös der Nachlass am Tag des Erbfalles tatsächlich erbracht hätte; dabei ist grundsätzlich der Verkaufserlös, den die Erben inzwischen bereits erzielt haben, zu berücksichtigen
Hat ein Verkauf nicht stattgefunden und fehlt es an einem gängigen Marktpreis für den Nachlassgegenstand, muss der Wert geschätzt werden (§ 2311 Abs. 2 S. 1 BGB). Da das Gesetz keine Bewertungsmethode vorschreibt, obliegt die sachgerechte Auswahl dem Tatrichter. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das OLG zu Recht die Auffassung vertreten, dass der zu bestimmende Wert des in den Nachlass fallenden hälftigen Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück der Erblasserin dem hälftigen Wert des Gesamtobjekts entspricht.
In der Literatur wird ganz überwiegend vertreten, dass dann, wenn ein halber Miteigentumsanteil einer vom anderen Miteigentümer eigengenutzten Immobilie in den Nachlass fällt, die Verkehrswertbestimmung des hälftigen Miteigentumsanteils besondere Schwierigkeiten bereite und es in aller Regel unzulässig sei, den halben Verkehrswert des Grundstücks samt Gebäude anzusetzen, da die Chance, diesen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering sei. Es sei daher ein deutlicher Abschlag vorzunehmen. Demgegenüber ist das OLG der Ansicht, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspreche, wenn der bisherige Eigentümer der einen ideellen Hälfte mit dem Erbfall auch die andere Hälfte des Eigentums erlangt. Dem ist zuzustimmen.
Eine Verwertung des Miteigentums an einer Immobilie ist mit dem Erbfall bei dieser Sachlage problemlos möglich und es sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen könnten, einen Abschlag vorzunehmen. Ein Abschlag vom hälftigen Wert ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Erbe zur Befriedigung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gezwungen sein könnte, die gesamte Immobilie zu verkaufen. Dies ist ein regelmäßig mit Erbschaften verbundenes Risiko.
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