26.09.2013

Zu den gesetzlichen Voraussetzungen des § 1631 d BGB für eine Beschneidung ohne medizinische Indikation

Nach § 1631 d BGB haben die Sorgeberechtigten zwar grundsätzlich das Recht, in die medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen einzuwilligen, solange der Junge diese Frage nicht selbst entscheiden kann. Aber, auch wenn ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage ist, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, verpflichtet die Vorschrift die sorgeberechtigten Eltern, die Beschneidung mit dem Kind in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art und Weise zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen.

OLG Hamm 30.8.2013, 3 UF 133/13
Der Sachverhalt:
Die geschiedenen Kindeseltern aus Dortmund streiten im einstweiligen Anordnungsverfahren darüber, ob die mittlerweile anderweitig verheiratete Kindesmutter aus Kenia ihren 6 Jahre alten Sohn ohne medizinische Indikation beschneiden lassen darf.

Das Kind lebt im Haushalt der 31 Jahre alten Mutter, der auch das alleinige Sorgerecht zusteht. Die Kindesmutter will den Jungen entsprechend den kulturellen Riten ihres Heimatlandes Kenia beschneiden lassen, damit er bei Besuchen in Kenia - insbes. auch von ihrer Verwandtschaft - als vollwertiger Mann angesehen und geachtet werde. Außerdem hält sie die Beschneidung aus hygienischen Gründen für geboten.

Aufgrund der zeitnah beabsichtigten Beschneidung des Kindes, machte der Kindesvater das vorliegende einstweilige Anordnungsverfahren anhängig, in dem das AG - Familiengericht - zunächst der Kindesmutter vorläufig die Gesundheitsfürsorge für den Sohn entzogenen und auf das Jugendamt der Stadt E als Ergänzungspfleger übertragen hat. Das Jugendamt als Ergänzungspfleger widersprach daraufhin dem von der Kindesmutter beabsichtigten Eingriff bis auf Weiteres ausdrücklich.

Das AG hielt seinen Anordnungsbeschluss aufrecht, soweit der Kindesmutter das Recht zur Beschneidung des Kindes entzogen worden und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen worden ist; i.Ü. übertrug es das Recht der Gesundheitsfürsorge auf die Kindesmutter zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Kindesmutter darf ihren Sohn zurzeit nicht beschneiden lassen; die Entscheidungsbefugnis über diese Frage bleibt dem zuständigen Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen.

Die Frage der Beschneidung des Jungen kann zurzeit nicht zugunsten der Kindesmutter entschieden werden. Nach der neu geschaffenen Vorschrift des § 1631 d BGB hat die allein sorgeberechtigte Kindesmutter zwar grundsätzlich das Recht, in die medizinisch nicht indizierte Beschneidung des Jungen einzuwilligen, solange der Junge diese Frage nicht selbst entscheiden kann. Aber, auch wenn ein Sechsjähriger noch nicht in der Lage ist, über seine Beschneidung selbst zu entscheiden, verpflichtet die gesetzliche Vorschrift die sorgeberechtigten Eltern und - im Falle eines mehr als sechs Monate alten Kindes - auch den Arzt, die Beschneidung mit dem Kind in einer seinem Alter und Entwicklungsstand entsprechenden Art und Weise zu besprechen und die Wünsche des Kindes bei der elterlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Eine solche Beteiligung des Kindes hat im vorliegenden Fall nicht stattgefunden.

Die von den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil erteilte Einwilligung zur Beschneidung ist darüber hinaus nur dann wirksam, wenn diese über den Eingriff zuvor ordnungsgemäß und umfassend aufgeklärt worden sind. Eine dementsprechende Aufklärung der Kindesmutter ist bislang ebenfalls nicht dargelegt worden.

Vorliegend ist es nach alldem gerechtfertigt, der Kindesmutter die Befugnis zur Einwilligung in eine Beschneidung ihres Kindes vorläufig zu entziehen. Zurzeit spricht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des Kindeswohls, wenn eine Beschneidung vollzogen würde. Das folgt aus den Umständen des Einzelfalls. Die Motive der Kindesmutter für eine Beschneidung können zwar grundsätzlich eine nicht medizinisch indizierte Beschneidung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall haben sie allerdings ein geringeres Gewicht, weil die Familie der Kindesmutter ihren ständigen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat, Besuche in Kenia selten möglich sind und der Junge auch evangelisch getauft ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Intimhygiene des Kindes ohne die Beschneidung gefährdet ist.

Gegen eine Beschneidung spricht zwar nicht, dass diese medizinische Risiken hat und Schmerzen verursachen kann, weil diese Umstände mit jeder nicht medizinisch indizierten Beschneidung verbunden sind. Im vorliegenden Fall gibt es aber gewichtige Gründe dafür, dass eine zum jetzigen Zeitpunkt durch die Kindesmutter veranlasste Beschneidung das psychische Wohl des Sechsjährigen beeinträchtigt, insbes. weil sich die Kindesmutter nach eigenen Angaben außerstande sieht, ihren Sohn bei dem Eingriff - auch wenn er ihn ablehnen sollte - zu begleiten.

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OLG Hamm PM vom 25.9.2013
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