Zu den Rücktrittsvoraussetzungen beim Verkauf eines nicht unfallfreien Fahrzeugs
OLG Hamm 16.5.2017, 28 U 101/16Die Klägerin betreibt einen Kfz-Handel. Im Februar 2015 erwarb sie von der Beklagten, einer Privatperson, für rd. 10.700 € ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Nissan Juke. In der schriftlichen Kaufvertragsurkunde vereinbarten die Parteien, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und keine Nachlackierung habe. Der Klägerin war bekannt, dass die Beklagte nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war. Zudem hatte die Klägerin vor Vertragsschluss Gelegenheit, das Fahrzeug in ihrer Werkstatt auf Vorschäden und sonstige Mängel zu untersuchen.
Nach Austausch der vereinbarten Leistungen erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, bei dem verkauften Nissan Juke handele sich um einen Unfallwagen, der zudem nachlackiert worden sei. Mit der gegen die Beklagte erhobenen Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin änderte das OLG die Entscheidung des LG ab und gab der Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die Klägerin kann die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs verlangen.
Das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug entsprach nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit. Nach dem Vertrag sollte das Fahrzeug unfallfrei sein und keine Nachlackierungen haben. Diese Beschaffenheit sollte das Fahrzeug während seiner gesamten Lebenszeit und nicht nur beschränkt auf die Besitzzeit der Beklagten aufweisen. Dass die Klägerin das Fahrzeug vor Vertragsschluss selbst untersucht hat, bedeutet nicht, dass sie dadurch die Beklagte entlasten oder aus ihrer Gewähr entlassen wollte.
Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass das Fahrzeug bei Übergabe an die Klägerin nicht unfall- und nachlackierungsfrei war. Es weist im rechten hinteren Bereich einen unfachmännisch reparierten Unfallschaden mit Nachlackierungen und zudem am vorderen Stoßfänger Spuren eines Anprallgeschehens auf. Der Rücktritt der Klägerin ist auch nicht ausgeschlossen, weil sie die Mängel bei Vertragsabschluss gekannt hätte - dies behauptet die Beklagte auch nicht - oder ihr die Mängel aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben wären. Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Mängel ist der Klägerin nicht vorzuwerfen. Auch als Kraftfahrzeughändlerin hat sie grundsätzlich keine Obliegenheit, das zu erwerbende Fahrzeug gründlich auf Unfallschäden, sonstige Beschädigungen oder Mängel zu untersuchen und darf sich insoweit auf eine Sichtprüfung sowie Angaben eines Verkäufers verlassen.
Erst wenn ein am Kauf interessierter Händler konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass die infrage stehenden Angaben des Verkäufers falsch oder zweifelhaft sind, kann es als grob sorgfaltswidrig gewertet werden, wenn er das Fahrzeug dennoch nicht genauer untersucht. So liegt der vorliegende Fall nicht. Bei ihm hat die Klägerin das Fahrzeug vor dem Kauf lediglich einer Sichtprüfung unterzogen und der gerichtliche Sachverständige hat es für möglich gehalten, dass ein Fachmann die Mängel des Nissan Juke bei einer Sichtprüfung nicht entdeckt. Dies geht zulasten der Beklagten. Die Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Mängelunkenntnis der Klägerin hätte sie nachweisen müssen.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank NRW veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.