10.09.2013

Zu den Voraussetzungen der Entscheidung nach Lage der Akten

Als Voraussetzung für eine Entscheidung nach Lage der Akten im Fall der Säumnis einer Partei ist eine vorangegangene mündliche Verhandlung grundsätzlich nur dann ausreichend, wenn sie der im späteren Termin nicht erschienenen Partei ermöglicht hatte, ihren Standpunkt vorzutragen und den relevanten Prozessstoff ausreichend zu erörtern. Es ist nicht vorstellbar, dass ein Bewohner, der bereits aufgrund angeblicher zu niedriger Temperaturen in einer Wohnung in seiner Gesundheit beeinträchtigt ist, hiergegen nichts unternimmt, insbesondere nicht durch Anschaffung zusätzlicher Heizmöglichkeiten für angemessene Temperaturen sorgt.

OLG Frankfurt a.M. 8.5.2013, 2 U 231/12
Der Sachverhalt:
Die Kläger verlangten von den beklagten Mietern Räumung und Herausgabe eines Fachwerkhauses. Mit der Widerklage machten die Mieter gegenüber den Klägern verschiedene Zahlungsansprüche geltend, insbesondere einen  Schmerzensgeldanspruch i.H.v. 50.000,- € wegen erheblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen wegen der Eiseskälte in dem alten Fachwerkhaus.

Das LG gab der Räumungsklage statt und gewährte den Beklagten eine Räumungsfrist bis zum 31.12.2012. Die Widerklage wurde abgewiesen. Zur Begründung führte das LG im Wesentlichen aus, das Mietverhältnis zwischen den Parteien sei durch die fristlose Kündigung vom 19.5.2011 beendet worden, da aufgrund des Mietrückstandes ein wichtiger Grund für die Kündigung bestanden habe.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
In der mündlichen Verhandlung vom 13.3.2013 war der Beklagtenvertreter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Auf Antrag der Kläger ordnete das Gericht eine Entscheidung nach Lage der Akten an. Als Voraussetzung für eine solche Entscheidung im Fall der Säumnis einer Partei ist eine vorangegangene mündliche Verhandlung grundsätzlich nur dann ausreichend, wenn sie der im späteren Termin nicht erschienenen Partei ermöglicht hatte, ihren Standpunkt vorzutragen und den relevanten Prozessstoff ausreichend zu erörtern. Der vorzeitige Abbruch dieser vorangegangenen mündlichen Verhandlung nach Stellen der Anträge steht dem dann nicht entgegen, wenn die angeblich bestehende Verhandlungsunfähigkeit nachfolgend nicht wie angekündigt durch ein ärztliches Attest nachgewiesen wird.

Die Parteien hatten bereits im Termin vom 21.2.2013 streitig zur Sache verhandelt sowie die Anträge gestellt. Zwar war der Beklagtenvertreter bei diesem Termin ersichtlich gesundheitlich angegriffen. Er hatte sich aber auf ausdrückliche Nachfrage hin zunächst für verhandlungsfähig erklärt. Die durchgeführte mündliche Verhandlung war für eine Entscheidung nach Lage der Akten ausreichend, obwohl sie sodann vorzeitig abgebrochen und auf den 13.3.2013 verlegt wurde, da der Beklagtenvertreter nun doch erklärte, nicht mehr hinreichend in der Lage zu sein, die Verhandlung mitzuführen. Dass er tatsächlich nicht verhandlungsfähig gewesen war, konnte nicht festgestellt werden, da er entgegen seiner Ankündigung ein ärztliches Attest zum Nachweis seiner Erkrankung nicht eingereicht und er demzufolge seine angenommene Verhandlungsunfähigkeit nicht belegt hatte. Danach konnte dahinstehen, ob eine mündliche Verhandlung ohnehin entbehrlich war, weil die nach Aktenlage zu treffende Entscheidung der Zurückweisung der Berufung keiner mündlichen Verhandlung bedurft hätte.

Die Klage war begründet. Die zulässige Widerklage war nicht begründet. Insbesondere stand den Beklagten gegen die Kläger kein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Ein für die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ursächliches Verhalten der Kläger war nicht erkennbar. Gerade die Schwere der vorgetragenen Erkrankung sprach dagegen. Es ist nicht vorstellbar, dass ein Bewohner, der bereits aufgrund angeblicher zu niedriger Temperaturen in einer Wohnung in seiner Gesundheit beeinträchtigt ist, hiergegen nichts unternimmt, insbesondere nicht durch Anschaffung zusätzlicher Heizmöglichkeiten für angemessene Temperaturen sorgt, sondern sich angeblich dauerhaft weiter der Kälte aussetzt bis zu einem Zustand einer konkreten Lebensbedrohung. Auch die zu dem Gesundheitszustand angebotenen Beweise vermochten eine solche Ursächlichkeit angeblicher Mängel des Mietobjekts für eine Erkrankung nicht nachweisen.

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