18.04.2013

Zu den Voraussetzungen einer Unterlassungsklage wegen Äußerungen in einer anwaltlichen Korrespondenz

Nimmt ein Rechtsanwalt einen anderen Rechtsanwalt wegen in laufenden Zivilprozessen als Partei und/oder Prozessbevollmächtigter getätigter Äußerungen, die der Anspruchsteller für beleidigend und verleumderisch erachtet, auf Unterlassung in Anspruch, so ist eine diesbezügliche Unterlassungsklage grundsätzlich wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn die Ausgangsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

OLG Hamm 3.12.2012, I-13 U 178/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien sind Anwälte und auf dem Gebiet des Medizinrechts tätig. Der Kläger vertrat (außergerichtlich) eine rechtsschutzversicherte Mandantin in einer Arzthaftungssache. Er forderte u.a. Schmerzensgeld von 60.000 € von der Klinik. Die Rechtsschutzversicherung lehnte eine Kostenübernahme ab. Sie beanstandete insbesondere die Höhe der geltend gemachten Positionen und führte aus, es "dürfte ebenfalls nicht mit dem Gebot anwaltlicher Sorgfalt (zu) vereinbaren sein, hier geradezu astronomische Gegenstandswerte und Anspruchsfantasien zu entwickeln, ohne zunächst einmal eine sorgfältige Recherche vorgenommen zu haben."

Der Kläger forderte daraufhin die Mandantin zur Zahlung des Vorschusses auf und stellte seine Tätigkeit mit insgesamt 10.156 € in Rechnung. Die Mandantin - inzwischen vertreten durch den Beklagten - lehnte Zahlungen ab. Der Beklagte nahm in dem - noch nicht abgeschlossenen, vielmehr derzeit in der Berufungsinstanz befindlichen - Honorarklageverfahren für die Mandantin zur Klage Stellung und entgegnete dem Kläger, dass dieser seine Anspruchsschreiben regelmäßig in Arzthaftungssachen verwende und nur die Variablen austausche. Das entspreche der intellektuellen Leistung einer Sekretärin. Seiner Anspruchsbegründung fehle jeglicher juristische Tiefgang. Besondere Fachkompetenz eines "Fachanwaltes für Medizinrecht" trete nicht zutage. Das Hochjubeln der Streitwerte sei grob fehlerhaft und pflichtwidrig gewesen; gleiches gelte für das Erfinden von Haftungsgründen.

Der Kläger fühlte sich durch die dargestellten Formulierungen und die wiederholt (nicht immer) verwendeten Anführungszeichen bei seiner Bezeichnung als Fachanwalt für Medizinrecht beleidigt und verleumdet. Er forderte den Beklagten deshalb unter Fristsetzung auf, zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungeserklärung abzugeben, was der Beklagte verweigerte.

Das LG wies die Unterlassungsklage ab. Die Berufung des Klägers blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Es bestand mangels greifbarer konkreter Verletzungshandlung kein Anspruch auf Unterlassung jeder sonstiger beleidigender und/oder verleumderischer Bemerkungen.

Nimmt ein Rechtsanwalt einen anderen Rechtsanwalt wegen in laufenden Zivilprozessen als Partei und/oder Prozessbevollmächtigter getätigter Äußerungen, die der Anspruchsteller für beleidigend und verleumderisch erachtet, auf Unterlassung in Anspruch, so ist eine diesbezügliche Unterlassungsklage grundsätzlich wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn die Ausgangsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt - wenn überhaupt - allenfalls dann in Betracht, wenn bewusst oder leichtfertig falsche ehrenrührige Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder eine reine Schmähkritik ohne erkennbaren Bezug zum Ausgangsrechtsstreit vorliegt, bei der es nicht mehr um die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein um eine Diffamierung und Herabsetzung des Betroffenen jenseits polemischer und überspitzter Kritik geht.

Auch in der Sache kann in derartigen Fällen - nach rechtskräftigem Abschluss des Ausgangsverfahrens - die Unterlassung der beanstandeten Äußerungen nur unter strengen Voraussetzungen verlangt werden, namentlich dann, wenn bewusst oder leichtfertig falsche ehrenrührige Tatsachenbehauptungen aufgestellt wurden oder eine reine Schmähkritik im vorgenannten Sinne vorliegt.

Dem verständigen Leser wurde durch den Beklagten vermittelt (was sicherlich auch beabsichtigt war), dass die Kenntnisse des Klägers besonders stark limitiert sind. Dies ist aber eine Wertung, die der Beklagte aus der aus seiner Sicht unzureichenden Begründung der Entschädigungsforderung für die Mandantin hergeleitet hatte. Wenn man diese Wertung in Bezug zu den inhaltlichen Beanstandungen an dem Entschädigungsschreiben setzte, so hielt sich die Wertung eindeutig im Rahmen des Zulässigen. Eine unzulässige Schmähkritik ohne jeden Sachbezug war darin nicht zu sehen, zumal es in dem laufenden Zivilprozess offenbar gerade um die Verteidigung gegenüber einem diesbezüglichen Unterlassungs- oder Entschädigungsbegehren ging. Auch in dem Vergleich mit der intellektuellen Leistung einer Sekretärin war ein zulässiger Prozessvortrag und keine unzulässige Schmähkritik ohne Sachbezug zu sehen.

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