28.05.2013

Zu den Voraussetzungen für einen Berichtigungsbeschluss bei versehendlich vergessenem Ausspruch über Zulassung der Rechtsbeschwerde

Zwar kann nach BGH-Rechtsprechung in Fällen, in denen der Beschluss versehendlich keinen Ausspruch über die Zulassung der Rechtsbeschwerde enthält, eine Berichtigung entsprechend § 319 ZPO erfolgen. Das Versehen muss allerdings nach außen hervorgetreten und selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein.

BGH 29.4.2013, VII ZB 54/11
Der Sachverhalt:
Die Schuldnerin zu 1) ist Eigentümerin zweier Grundstücke, an denen zu Gunsten der Schuldnerin zu 2) ein Nießbrauchsrecht eingetragen ist. An den beiden Grundstücken wurde im Jahr 1994 durch notarielle Urkunde eine Gesamteigentümergrundschuld über 1 Mio. DM bestellt. Die Gläubigerin betrieb aus dem Grundpfandrecht die Zwangsvollstreckung gegen die beiden Schuldnerinnen im Wege der Forderungspfändung. Auf ihren Antrag hin hat das AG wegen eines Teilbetrags von 300.000 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen.

Die hiergegen von den Schuldnerinnen eingelegten Erinnerungen waren vor dem AG erfolglos. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin zu 2) hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des AG mit Beschluss vom 30.6.2011 teilweise abgeändert und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben sowie den Antrag auf Erlass zurückgewiesen, soweit diese gegen die Schuldnerin zu 2) gerichtet waren.

Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin am 26.7.2011 Gehörsrüge beim LG eingelegt, woraufhin dieses mit Beschluss vom 5.8.2011 seinen Beschluss vom 30.6.2011 entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO ergänzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde sei beschlossen aber versehentlich in der schriftlichen Fassung des Beschlusses vom 30.6.2011 nicht ausgesprochen worden. Die Gläubigerin habe frühzeitig um Zulassung der Rechtsbeschwerde gebeten. Das Beschwerdegericht habe dem ersichtlich dadurch Rechnung tragen wollen, dass sie die Entscheidung vom 30.6.2011 in voller Besetzung getroffen habe. Bereits aus einer Verfügung des Kammervorsitzenden vom 20.7.2011 gehe hervor, dass mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde gerechnet und diesem Umstand dadurch habe Rechnung getragen werden sollen, dass der der Vollstreckung zugrunde liegende Titel nicht an die Gläubigerin zurückgegeben werden, sondern beim Vorgang habe verbleiben sollen.

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Rechtsbeschwerde war nicht statthaft.

Die am 5.8.2011 unter Hinweis auf § 319 Abs. 1 ZPO beschlossene Zulassung der Rechtsbeschwerde war für den Senat nicht verbindlich. Zwar kann nach BGH-Rechtsprechung eine Berichtigung eines Beschlusses, in dem eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, entsprechend § 319 ZPO erfolgen. Das Versehen muss dann aber, weil eine Berichtigung nach dieser Vorschrift auch von einem Richter beschlossen werden kann, der an der fraglichen Entscheidung nicht mitgewirkt hat, selbst für Dritte ohne weiteres deutlich sein. Dafür ist erforderlich, dass sich das Versehen aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder bei seiner Verkündung ergibt, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Entscheidung selbst.

Infolgedessen waren die Voraussetzungen für eine "offenbare" Unrichtigkeit im vorliegenden Fall nicht gegeben. Denn weder dem Beschluss vom 30.6.2011 selbst noch den Zusammenhängen bei der Beschlussfassung ließ sich entnehmen, dass das Beschwerdegericht seinerzeit die Rechtsbeschwerde zulassen wollte. Aus dem Umstand, dass vor Erlass des Beschlusses der Einzelrichter die Sache mit Beschluss vom gleichen Tag auf die Kammer übertragen hatte, konnte allenfalls gefolgert werden, dass der Einzelrichter selbst der Sache eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen und deswegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde für erforderlich gehalten hatte. Daraus konnte jedoch nicht gefolgert werden, dass die mit drei Richtern besetzte Kammer bei ihrer Beschlussfassung derselben Auffassung gewesen war und auch eine entsprechende Entscheidung getroffen hatte.

Die vom Beschwerdegericht selbst für die Tatsache der "offenbaren" Unrichtigkeit als maßgeblich angesehene Verfügung des Kammervorsitzenden vom 20.7.2011 konnte in zeitlicher Hinsicht keine Berücksichtigung finden, da die Beschwerdeentscheidung vom 30.6.2011 datierte. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung war nicht für einen Dritten ohne weiteres deutlich nach außen hervorgetreten, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde versehentlich unterblieben war.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online
Zurück