15.02.2016

Zu organisatorischen Vorkehrungen des Rechtsanwalts hinsichtlich einer wirksamen Ausgangskontrolle

Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle des Rechtsanwalts gehört die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird. Bei der allabendlichen Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze ist auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind.

BGH 15.12.2015, VI ZB 15/15
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz aus Tierhalterhaftung in Anspruch. Das LG wies die Klage ab. Gegen das Urteil legte die Klägerin rechtzeitig Berufung ein. Das OLG verlängerte die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag der Klägerin bis zum 20.4.2015. Die auf den 20.4.2015 datierte Berufungsbegründung ging beim OLG am 21.4.2015 ein. Auf den Hinweis des Vorsitzenden des OLG, die Berufungsbegründung sei verspätet, beantragte die Klägerin am 30.4.2015, ihr insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Berufungsbegründungsfrist sei von ihrem Prozessbevollmächtigten nach Eingang der Fristverlängerung ordnungsgemäß im Fristenkalender eingetragen worden. Zudem habe ihrem Prozessbevollmächtigten in der gesamten Woche vor Ablauf der Frist eine ausgedruckte Fristenliste vorgelegen, deren Einhaltung überwacht worden sei. Die Berufungsbegründung sei am 20.4.2015 vervollständigt worden. Nach Fertigstellung des Schriftsatzes sei er ihrem Prozessbevollmächtigten vorgelegt, von diesem unterschrieben und dann an dessen - außerordentlich zuverlässige und sehr erfahrene - Sekretärin Ku. übergeben worden. Mit der Übergabe des Schriftsatzes habe ihr Prozessbevollmächtigter Ku. angewiesen, die Berufungsbegründung noch am 20.4.2015 vorab per Telefax dem OLG zuzuleiten. Zudem sei der Ordner mit einem deutlich sichtbaren Fristzettel versehen gewesen.

Nachdem an diesem Tag am Kanzleifaxgerät ihres Prozessbevollmächtigten durchgeführte Wartungsarbeiten gegen 16.45 Uhr beendet gewesen seien, seien mehrere Schreiben per Telefax versandt worden. Die Berufungsbegründung habe Ku. an die in der Zentrale tätige, ebenfalls außerordentlich zuverlässige und sehr erfahrene Rechtsanwaltsfachangestellte Kl., die für die Überwachung der Versendung fristwahrender Schriftsätze zuständig sei, übergeben und diese ausdrücklich aufgefordert, den Schriftsatz per Fax an das OLG zu übermitteln. Kl. habe bestätigt, dies bis spätestens 18 Uhr zu erledigen. Offenbar habe Kl. den Schriftsatz dann aber versehentlich zum üblichen Postausgang gelegt und die Übersendung per Fax weisungswidrig unterlassen.

Das OLG lehnte die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf die Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil als unzulässig. Die Berufung sei nicht innerhalb der - verlängerten - Berufungsbegründungsfrist begründet worden. Der Wiedereinsetzungsantrag sei zwar zulässig, führe in der Sache aber nicht zum Erfolg. Denn der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, was sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Das OLG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin schon nicht schlüssig dargetan hat, dass ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung, das ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, nicht vorliegt.

Den Darlegungen der Klägerin im Wiedereinsetzungsantrag lässt sich nicht entnehmen, dass in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten eine hinreichende Ausgangskontrolle gewährleistet war. Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört dabei die Anordnung des Rechtsanwalts, dass die Erledigung von fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstages durch eine dazu beauftragte Bürokraft anhand des Fristenkalenders nochmals selbständig überprüft wird.

Diese allabendliche Ausgangskontrolle fristgebundener Schriftsätze mittels Abgleich mit dem Fristenkalender dient nicht alleine dazu, zu überprüfen, ob sich aus den Eintragungen im Fristenkalender noch unerledigt gebliebene Fristsachen ergeben, sondern vielmehr auch dazu, festzustellen, ob möglicherweise in einer bereits als erledigt vermerkten Fristsache die fristwahrende Handlung noch aussteht. Deshalb ist dabei, ggf. anhand der Akten, auch zu prüfen, ob die im Fristenkalender als erledigt gekennzeichneten Schriftsätze tatsächlich abgesandt worden sind. Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten entsprechende Anordnungen erteilt worden waren, lässt sich der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nicht entnehmen.

Eine ausreichende allgemeine Organisationsanweisung war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der klägerische Prozessbevollmächtigte Ku. ausdrücklich angewiesen hatte, die Berufungsbegründungsschrift noch am 20.4.2015 per Fax dem OLG zuzuleiten. Denn auch bei einer solchen Einzelweisung müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass sie nicht in Vergessenheit gerät und die zu treffende Maßnahme unterbleibt. Besondere Vorkehrungen können dabei zwar entbehrlich sein, wenn die Bürokraft angewiesen ist, den Schriftsatz sofort und vor allen anderen Arbeiten per Telefax zu versenden. Eine solche Weisung ihres Prozessbevollmächtigten hat die Klägerin im Wiedereinsetzungsverfahren aber selbst nicht behauptet.

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