04.05.2015

Zulässigkeit eines Rechtsmittels in Ehe- und Familienstreitsachen trotz Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs

In Ehe- und Familienstreitsachen darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will.

BGH 1.4.2015, XII ZB 503/14
Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner, ihren Ehemann, auf Getrenntlebens- und Kindesunterhalt in Anspruch. Die seit Juli 2005 verheirateten Beteiligten leben seit Februar 2012 voneinander getrennt. Der im April 2008 geborene gemeinsame Sohn lebt bei der Antragstellerin.

Auf deren Antrag verpflichtete das AG den Antragsgegner, mtl. Trennungsunterhalt für Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 i.H.v. rd. 590 € und ab März 2013 i.H.v. rd. 790 € sowie für den gemeinsamen Sohn ab Oktober 2012 nach der jeweiligen Altersstufe Unterhalt von 128 Prozent des Kindesmindestunterhalts der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle (abzgl. hälftigem Kindergeld) zu bezahlen, und diese Zahlungsverpflichtungen für sofort wirksam erklärt.

Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner Beschwerde ein. Er begründete diese mit gesondertem Schriftsatz, der keinen ausformulierten Beschwerdeantrag enthält. Das OLG verwarf die Beschwerde. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des OLG, wonach der Beschwerdeführer gem. § 117 Abs. 1 S. 1 FamFG in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen hat. Er muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, in welcher Weise der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Gemessen daran genügt die Beschwerdebegründungsschrift des Antragsgegners den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 S. 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich Umfang und Ziel der Beschwerde noch hinreichend bestimmt entnehmen.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der Beschwerdebegründungsschrift eindeutig zu entnehmen, dass der Antragsgegner sich nicht gegen die vom AG ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt wendet. Dies belegt der vom OLG gesehene Betreff ("wegen Beschwerdeverfahren-Trennungsunterhalt") ebenso wie der Umstand, dass der 17-seitige Schriftsatz an keiner Stelle auf den Kindesunterhalt eingeht. Es wird aber auch daraus deutlich, dass der Antragsgegner in seine Berechnungen zum Getrenntlebensunterhalt einen mtl. Kindesunterhalt von 350 € und damit eben den über dem titulierten Unterhalt liegenden Betrag eingestellt hat, den er unstreitig stets bezahlt hat und den auch das AG bei der Berechnung des Getrenntlebensunterhaltsanspruchs der Antragstellerin berücksichtigt hat. Zweifel daran, dass dieser Teil der amtsgerichtlichen Entscheidung vom Antragsgegner mit der Beschwerde nicht angegriffen werden soll, verbleiben mithin nicht.

Aber auch hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts lässt die Beschwerdebegründung in für § 117 Abs. 1 S. 1 FamFG ausreichender Weise erkennen, in welchem Umfang der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll. Das OLG vertritt zwar zutreffend die Ansicht, aus dem Schriftsatz ergebe sich nicht, ob der Antragsgegner sich nur gegen die Höhe des zugesprochenen Unterhalts wende oder aber hinsichtlich des Getrenntlebensunterhalts wie in erster Instanz eine vollständige Antragsabweisung begehre. Diese Unklarheit führt jedoch nicht dazu, dass die Beschwerde mangels Antrags unzulässig ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH darf ein Rechtsmittel nicht wegen Unbestimmtheit eines Teils des Beschwerdeangriffs insgesamt als unzulässig angesehen werden, wenn der Begründungsschrift eindeutig zu entnehmen ist, dass der Rechtsmittelführer seinen prozessualen Anspruch jedenfalls in einer bestimmten Höhe weiterverfolgen will. Die Vorschrift des § 537 Abs. 1 ZPO, nach der ein erstinstanzliches Urteil durch das Berufungsgericht auf Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist, soweit es durch die Berufungsanträge nicht angegriffen wird, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Bestimmung ist in Ehe- und Familienstreitsachen nicht anwendbar (§ 117 Abs. 2 S. 1 FamFG) und hat dort auch keine Entsprechung.

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