Zulassung als Syndikusrechtsanwältin während der Elternzeit
BGH v. 18.3.2019 - AnwZ (Brfg) 6/18
Der Sachverhalt:
Die Beigeladene ist seit Februar 2012 im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 16.3.2012 befreite die Klägerin sie von der Rentenversicherungspflicht. Seit Mai 2012 war die Beigeladene als politische Sekretärin bei der I. angestellt. Nachdem sie eine auf die Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin bezogene unwiderrufliche Einverständnis- und Freistellungserklärung des Leiters des regionalen Rechtsschutzes der I. vom 15.5.2012 und eine Stellenbeschreibung vorgelegt hatte, erklärte die Beklagte, es bestünden keine Bedenken gegen die Anstellung als Syndikusrechtsanwältin bei der I. Gleichwohl lehnte die Klägerin den Antrag der Beigeladenen auf Weitergeltung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab.
Der Widerspruch der Beigeladenen gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Über ihre Klage ist noch nicht entschieden worden. Im März 2016 beantragte die Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der I. Die Beklagte äußerte Bedenken, ob der prägende Charakter der anwaltlichen Tätigkeit vertraglich abgesichert sei. Daraufhin legte die Beigeladene einen Nachtrag zum Anstellungsvertrag vor, nach dem sie ihre Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausübe.
Im Oktober 2016 ließ die Beklagte die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin zu. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück. Die Beigeladene nahm im Zeitpunkt der Zulassungs- und der Widerspruchsentscheidung Elternzeit nach § 15 BEEG in Anspruch. Diese endete im August 2018. Gleichzeitig endete das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen bei der I. infolge eines Aufhebungsvertrages. Die Beigeladene ist seitdem bei einer Gewerkschaft beschäftigt und hat bei der nunmehr für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer einen auf ihre neue Tätigkeit bezogenen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gestellt, über den noch nicht entschieden wurde.
Die Klägerin war der Ansicht, schon die Inanspruchnahme von Elternzeit stehe einer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin entgegen. Die Zulassung könne nur bezüglich einer Tätigkeit erteilt werden, die tatsächlich ausgeübt werde. Überdies sei nicht gewährleistet, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit fachlich weisungsfrei ausüben könne. Der Anwaltsgerichtshof hat die gegen die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem BGH blieb ohne Erfolg.
Gründe:
Zwar hat die Beigeladene die Tätigkeit, für die sie die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin beantragt hatte, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung nicht ausgeübt. Denn während der Elternzeit ruhten die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Hauptpflichten. Doch nicht jede zeitlich begrenzte Unterbrechung einer Tätigkeit, die vertraglich und tatsächlich den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht, führt dazu, dass die Zulassung nach § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO zu widerrufen ist. Denn auch eine erstmalige Zulassung während einer zeitlich begrenzten Unterbrechung einer grundsätzlich die Zulassung tragenden Tätigkeit ist nicht in jedem Fall ausgeschlossen.
Die Zulassung kann nicht versagt werden, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag von seinem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (vgl. § 1 BUrlG) Gebrauch gemacht hat. Ebenso wenig kann die Zulassung für die Dauer des bezahlten Erholungsurlaubs widerrufen werden, obwohl der Syndikusrechtsanwalt während des bezahlten Erholungsurlaubs tatsächlich nicht als solcher tätig ist. Ausreichend ist, dass er bis zum Beginn des Urlaubs anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt hat und dass er diese Tätigkeiten nach der Rückkehr aus dem Urlaub wieder ausübt. Gleiches gilt für die Arbeitsunfähigkeit wegen einer Erkrankung, die unter § 3 EFZG (oder § 3a EFZG) fällt.
Die Unterbrechung einer anwaltlichen Tätigkeit durch eine Elternzeit nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes unterscheidet sich in den hier wesentlichen Punkten nicht von derjenigen durch Urlaub oder Krankheit im Rahmen der einschlägigen Arbeitnehmerschutzgesetze. Der amtlichen Begründung nach soll das Elterngeld die Eltern in der Frühphase der Elternschaft unterstützen. Es eröffnet einen geschützten Rahmen, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können. Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht sowohl ein Anspruch auf Elterngeld (§ 1 BEEG) als auch ein solcher auf Elternzeit (§ 15 BEEG).
Welche versorgungsrechtlichen Folgen sich aus der Zulassung ergeben, hat der Senat nicht zu prüfen. Gem. § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO ist der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI an die Entscheidung über die Zulassung gebunden. Was dies im jeweiligen Einzelfall bedeutet, ist jedoch nicht Gegenstand der Entscheidung über die Zulassung. Kommt eine Befreiung aus anderen Gründen als demjenigen der versagten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht in Betracht, führt dies jedenfalls nicht zu einer Versagung der Zulassung.
BGH online
Die Beigeladene ist seit Februar 2012 im Bezirk der Beklagten als Rechtsanwältin zugelassen. Mit Bescheid vom 16.3.2012 befreite die Klägerin sie von der Rentenversicherungspflicht. Seit Mai 2012 war die Beigeladene als politische Sekretärin bei der I. angestellt. Nachdem sie eine auf die Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin bezogene unwiderrufliche Einverständnis- und Freistellungserklärung des Leiters des regionalen Rechtsschutzes der I. vom 15.5.2012 und eine Stellenbeschreibung vorgelegt hatte, erklärte die Beklagte, es bestünden keine Bedenken gegen die Anstellung als Syndikusrechtsanwältin bei der I. Gleichwohl lehnte die Klägerin den Antrag der Beigeladenen auf Weitergeltung der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab.
Der Widerspruch der Beigeladenen gegen diesen Bescheid blieb erfolglos. Über ihre Klage ist noch nicht entschieden worden. Im März 2016 beantragte die Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für ihre Tätigkeit bei der I. Die Beklagte äußerte Bedenken, ob der prägende Charakter der anwaltlichen Tätigkeit vertraglich abgesichert sei. Daraufhin legte die Beigeladene einen Nachtrag zum Anstellungsvertrag vor, nach dem sie ihre Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältin fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ausübe.
Im Oktober 2016 ließ die Beklagte die Beigeladene als Syndikusrechtsanwältin zu. Den Widerspruch der Klägerin wies sie zurück. Die Beigeladene nahm im Zeitpunkt der Zulassungs- und der Widerspruchsentscheidung Elternzeit nach § 15 BEEG in Anspruch. Diese endete im August 2018. Gleichzeitig endete das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen bei der I. infolge eines Aufhebungsvertrages. Die Beigeladene ist seitdem bei einer Gewerkschaft beschäftigt und hat bei der nunmehr für sie zuständigen Rechtsanwaltskammer einen auf ihre neue Tätigkeit bezogenen Antrag auf Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gestellt, über den noch nicht entschieden wurde.
Die Klägerin war der Ansicht, schon die Inanspruchnahme von Elternzeit stehe einer Zulassung als Syndikusrechtsanwältin entgegen. Die Zulassung könne nur bezüglich einer Tätigkeit erteilt werden, die tatsächlich ausgeübt werde. Überdies sei nicht gewährleistet, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit fachlich weisungsfrei ausüben könne. Der Anwaltsgerichtshof hat die gegen die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin gerichtete Klage abgewiesen. Auch die Berufung der Klägerin vor dem BGH blieb ohne Erfolg.
Gründe:
Zwar hat die Beigeladene die Tätigkeit, für die sie die Zulassung als Syndikusrechtsanwältin beantragt hatte, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung nicht ausgeübt. Denn während der Elternzeit ruhten die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Hauptpflichten. Doch nicht jede zeitlich begrenzte Unterbrechung einer Tätigkeit, die vertraglich und tatsächlich den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO entspricht, führt dazu, dass die Zulassung nach § 46b Abs. 2 Satz 2 BRAO zu widerrufen ist. Denn auch eine erstmalige Zulassung während einer zeitlich begrenzten Unterbrechung einer grundsätzlich die Zulassung tragenden Tätigkeit ist nicht in jedem Fall ausgeschlossen.
Die Zulassung kann nicht versagt werden, weil der Antragsteller im Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag von seinem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub (vgl. § 1 BUrlG) Gebrauch gemacht hat. Ebenso wenig kann die Zulassung für die Dauer des bezahlten Erholungsurlaubs widerrufen werden, obwohl der Syndikusrechtsanwalt während des bezahlten Erholungsurlaubs tatsächlich nicht als solcher tätig ist. Ausreichend ist, dass er bis zum Beginn des Urlaubs anwaltliche Tätigkeiten ausgeübt hat und dass er diese Tätigkeiten nach der Rückkehr aus dem Urlaub wieder ausübt. Gleiches gilt für die Arbeitsunfähigkeit wegen einer Erkrankung, die unter § 3 EFZG (oder § 3a EFZG) fällt.
Die Unterbrechung einer anwaltlichen Tätigkeit durch eine Elternzeit nach den Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes unterscheidet sich in den hier wesentlichen Punkten nicht von derjenigen durch Urlaub oder Krankheit im Rahmen der einschlägigen Arbeitnehmerschutzgesetze. Der amtlichen Begründung nach soll das Elterngeld die Eltern in der Frühphase der Elternschaft unterstützen. Es eröffnet einen geschützten Rahmen, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können. Bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht sowohl ein Anspruch auf Elterngeld (§ 1 BEEG) als auch ein solcher auf Elternzeit (§ 15 BEEG).
Welche versorgungsrechtlichen Folgen sich aus der Zulassung ergeben, hat der Senat nicht zu prüfen. Gem. § 46a Abs. 2 Satz 4 BRAO ist der Träger der Rentenversicherung bei seiner Entscheidung über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB VI an die Entscheidung über die Zulassung gebunden. Was dies im jeweiligen Einzelfall bedeutet, ist jedoch nicht Gegenstand der Entscheidung über die Zulassung. Kommt eine Befreiung aus anderen Gründen als demjenigen der versagten Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht in Betracht, führt dies jedenfalls nicht zu einer Versagung der Zulassung.
Linkhinweise:
- Der Volltext ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Für den Volltext klicken Sie bitte hier.