09.05.2019

Zum Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses

Der personensorgeberechtigte Elternteil hat wie auch der umgangsberechtigte Elternteil in entsprechender Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses. Der Herausgabeanspruch besteht nur insoweit, als der berechtigte Elternteil für die Ausübung seines Rechts den Kinderreisepass benötigt. Die berechtigte Besorgnis, dass der die Herausgabe begehrende Elternteil mit Hilfe des Kinderreisepasses seine elterlichen Befugnisse überschreiten (etwa das Kind ins Ausland entführen) will, kann dem Herausgabeanspruch entgegenstehen.

BGH v. 27.3.2019 - XII ZB 345/18
Der Sachverhalt:
Die beteiligten Eltern streiten um die Herausgabe eines Kinderreisepasses. Die Beteiligte zu 1) (Mutter) und der Beteiligte zu 2) (Vater) sind die Eltern ihres im Januar 2016 geborenen Kindes. Die nicht verheirateten und getrennt lebenden Eltern üben die gemeinsame elterliche Sorge aus. Das Kind hat aufgrund einer entsprechenden Elternvereinbarung seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter. Diese stammt aus Kamerun, hat in Deutschland Asyl beantragt und möchte, nachdem sie den Realschulabschluss bereits erlangt hat, hier weiter die Schule besuchen. Die Mutter hat beantragt, dem Vater aufzugeben, den in seinem Besitz befindlichen Kinderreisepass an sie herauszugeben.

Das AG gab dem Antrag statt. Auf die Beschwerde des Vaters änderte das OLG die angefochtene Entscheidung ab und lehnte den Antrag auf Herausgabe des Passes ab. Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Beschwerde gegen den Beschluss des AG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG folgt die Verpflichtung, den Kinderreisepass an die Mutter herauszugeben, aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB.

Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob es einen solchen Herausgabeanspruch gibt bzw. auf welche Rechtsgrundlage sich dieser gründet. Nach einer Auffassung, der das OLG gefolgt ist, fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Danach besteht eine Gesetzeslücke, die dringend der Schließung bedarf. Demgegenüber hält die überwiegende Meinung eine Anspruchsgrundlage für gegeben. Der Senat hält die überwiegend vertretene Auffassung mit der Maßgabe für zutreffend, dass sich ein Herausgabeanspruch aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB ergibt.

Es besteht auch eine Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte. Sowohl Personensorge als auch Umgang erfordern, dass der jeweils berechtigte Elternteil in die Lage versetzt wird, die gemeinsame Zeit mit dem Kind ungestört und damit kindeswohldienlich zu verbringen. Dazu müssen dem berechtigten Elternteil all diejenigen persönlichen Gegenstände, Kleidung und Urkunden herausgegeben werden, die das Kind während seines Aufenthalts bei dem die Herausgabe begehrenden Elternteil voraussichtlich benötigt.

Der personensorgeberechtigte Elternteil hat danach wie auch der umgangsberechtigte Elternteil in entsprechender Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses. Der Herausgabeanspruch besteht nur insoweit, als der berechtigte Elternteil für die Ausübung seines Rechts den Kinderreisepass benötigt. Die berechtigte Besorgnis, dass der die Herausgabe begehrende Elternteil mit Hilfe des Kinderreisepasses seine elterlichen Befugnisse überschreiten (etwa das Kind ins Ausland entführen) will, kann dem Herausgabeanspruch entgegenstehen.

Vorliegend wäre demzufolge eine Herausgabe des Ausweisdokuments an die Mutter nach den von ihm getroffenen Feststellungen sachgerecht. Vor dem Hintergrund der Verwurzelung der Mutter im Inland sei objektiv nicht zu befürchten, dass sie sich mit dem Kind dauerhaft in das Ausland begeben würde. Das OLG sah sich - aus seiner Sicht folgerichtig - allein mangels einer Rechtsgrundlage an einer entsprechenden Entscheidung gehindert.

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