24.11.2011

Zum anteiligen Anspruch auf Entlastungsbetrag für Alleinerziehende bis zur Eheschließung bei Veranlagung nach § 26c EStG und Zusammenziehen

Im Jahr der Eheschließung können die Ehegatten sich steuerlich so behandeln lassen, als sei die Ehe nicht geschlossen worden; das Einkommen wird in diesem Fall nach den für Unverheiratete geltenden Bestimmungen ermittelt. Wird hiervon Gebrauch gemacht, so steht dem bis zur Eheschließung allein stehenden Steuerpflichtigen der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende anteilig bis zum Monat der Eheschließung zu.

FG Berlin-Brandenburg 20.7.2011, 1 K 2232/06
Der Sachverhalt:
Die Klägerin lebte im Streitjahr 2004 nach ihren Angaben zusammen mit ihrem 1990 geborenen Sohn in ihrer Wohnung in A. Im November 2004 heiratete sie und zog 2005 mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn in eine gemeinsame Wohnung in F ein. Für das Jahr 2004 machte die Klägerin von der Möglichkeit der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG Gebrauch. Sie beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung außerdem den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gem. § 24b EStG, dessen Berücksichtigung das Finanzamt mit der Begründung ablehnte, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten.

Das Finanzamt führte u.a. aus, dass Ehegatten, die im Streitjahr nicht dauernd getrennt lebten, nach § 24b Abs. 2 EStG vom Abzug des Entlastungsbetrags ausgeschlossen seien. Die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 EStG für die Anwendung des Splitting-Verfahrens dürften nämlich im gesamten Veranlagungszeitraum nicht erfüllt sein, um dem Grunde nach den Abzug des Entlastungsbetrags zu ermöglichen.

Die Klägerin macht geltend, dass ihr der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für das ganze Jahr zu gewähren sei. Nach § 26c EStG würden Ehegatten bei besonderer Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung so behandelt, als ob sie diese Ehe nicht geschlossen hätten. Somit sei festzustellen, dass sie, die Klägerin, für den Veranlagungszeitraum 2004 so zu stellen sei, als ob sie nicht geheiratet hätte.

Das FG gab der Klage ganz überwiegend statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin ist der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende anteilig für 11 Monate zu gewähren.

Allein stehende Steuerpflichtige können gem. § 24b Abs. 1 EStG einen Entlastungsbetrag i.H.v. 1.308 € im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zusteht. Allein stehend i.S.d. Absatzes 1 sind danach Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 26 Abs. 1) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden (§ 24b Abs. 2 EStG). Dabei ermäßigt sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorgelegen haben, gem. § 24b Abs. 3 EStG um ein Zwölftel.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird nur "allein stehenden" Steuerpflichtigen gewährt. In dem Fall, dass ein Steuerpflichtiger im Verlaufe eines Kalenderjahres heiratet, hat er für das gesamte Kalenderjahr Anspruch auf Anwendung des Ehegatten-Splittings. Dies muss er jedoch nicht in Anspruch nehmen; in dem Jahr der Eheschließung können die Ehegatten sich steuerlich so behandeln lassen, als sei die Ehe nicht geschlossen worden. Das Einkommen wird in diesem Fall nach den für Unverheiratete geltenden Bestimmungen ermittelt. Wird hiervon Gebrauch gemacht, so steht dem bis zur Eheschließung allein stehenden Steuerpflichtigen der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende anteilig bis zum Monat der Eheschließung zu.

Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Klägerin der Entlastungsbetrag anteilig bis einschließlich November 2004 zu gewähren ist. Dabei ist der Klägerin im Hinblick auf die (nur) zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrags entgegen zu halten, dass sich ihre Situation mit dem Eintritt der Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingtarifs auch geändert hat. Auch wenn ein gemeinsamer Haushalt mit dem Ehegatten erst ab dem Folgejahr begründet worden ist, so ergeben sich aus der Versagung des Entlastungsbetrags insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ab dem Zeitpunkt der Eheschließung typischerweise Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen Person eintreten - mag im Einzelfall der Umzug in eine gemeinsame Wohnung auch erst kurze Zeit später erfolgen.

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