13.09.2017

Zum fehlenden Verschulden des die Annahme eines Vertragsangebotes beurkundenden Notars bei Verwendung von befristeten Fortgeltungsklauseln

Die Rechtsprechung des Senats zur fahrlässigen Verletzung notarieller Belehrungspflichten bei unbefristeten Fortgeltungsklauseln kann nicht uneingeschränkt auf die Beurkundung befristeter Fortgeltungsklauseln übertragen werden. Auf im Jahr 2008 beurkundete Fortgeltungsklauseln, die ein Erlöschen des Käuferangebotes sechs Monate nach seiner Beurkundung bestimmen, treffen die für unbefristete Regelungen angestellten Erwägungen nicht zu.

BGH 24.8.2017, III ZR 558/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im April 2008 ein Kaufangebot für eine Eigentumswohnung in Nürnberg abgegeben, das von einem Münchener Notar auf der Grundlage eines Entwurfs des Beklagten beurkundet wurde. Sowohl in dem Angebotsentwurf als auch im beurkundeten Angebot hieß es u.a.:

"Das Angebot ist bis zum Ablauf des 19.5.2008 unwiderruflich. Wurde es bis dahin nicht angenommen, kann das Angebot gegenüber dem Verkäufer widerrufen werden. Wird es weder angenommen noch widerrufen, erlischt es mit Ablauf von sechs Monaten ab heute. Für die Rechtzeitigkeit der Annahme kommt es immer nur auf die Beurkundung, nicht auf den Zugang beim Käufer an."

Ferner war bestimmt, dass die Annahme des Angebotes vor dem Beklagten beurkundet werden solle. Dieser wurde auch mit dem Vollzug des Kaufvertrags beauftragt. Die Verkäuferin nahm das Angebot durch die vom Beklagten beurkundete Erklärung im Juli 2008 an.

Später machte der Kläger gegen den beklagten Notar wegen der Verletzung notarieller Belehrungspflichten Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung geltend. Er warf ihm vor, ihn im Zusammenhang mit der Beurkundung der Annahme seines Angebots nicht auf eine mögliche Unwirksamkeit der in dem notariellen Angebot enthaltenen befristeten Fortgeltungsklausel hingewiesen zu haben. Außerdem machte er geltend, dass er zum Zeitpunkt der Beurkundung der Annahmeerklärung bereits Zweifel an dem Rechtsgeschäft gehabt habe und von diesem Abstand genommen hätte, wenn er um die mögliche Unwirksamkeit der Fortgeltungs-klausel gewusst hätte.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gem. § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO.

Es konnte offen bleiben, ob die vorliegend verwendete befristete Fortgeltungsklausel wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB oder § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist und ob der Beklagte im Rahmen einer ihm nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO obliegenden "betreuenden Belehrung" den Kläger hierüber zu belehren hatte. Denn selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, war eine - in der unterlassenen Belehrung des Klägers liegende - Amtspflichtverletzung des Beklagten jedenfalls nicht schuldhaft.

Der pflichtbewusste und gewissenhafte durchschnittliche Notar muss über die für die Ausübung seines Berufs erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen. Er hat sich über die Rechtsprechung der obersten Gerichte, die in den amtlichen Sammlungen und den für seine Amtstätigkeit wesentlichen Zeitschriften veröffentlicht ist, unverzüglich zu unterrichten sowie die üblichen Erläuterungsbücher auszuwerten. Dagegen würde es die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Notars überspannen, wollte man von ihm verlangen, dass er vereinzelte Stimmen der Literatur zu einem Thema, das mehr am Rande notarieller Amtstätigkeit liegt und nicht Gegenstand breiterer Erörterungen war, bei künftigen einschlägigen Beurkundungen gegenwärtig haben und berücksichtigen muss.

Der Notar hat auch nicht die Pflicht, die künftige Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorauszuahnen. Erkennbare Tendenzen der Rechtsprechung darf er allerdings nicht übersehen. Dies gilt auch im Hinblick auf künftige Entscheidungen im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Rechtsprechung des Senats zur fahrlässigen Verletzung notarieller Belehrungspflichten bei unbefristeten Fortgeltungsklauseln kann indes nicht uneingeschränkt auf die Beurkundung befristeter Fortgeltungsklauseln übertragen werden. Auf im Jahr 2008 beurkundete Fortgeltungsklauseln, die ein Erlöschen des Käuferangebotes sechs Monate nach seiner Beurkundung bestimmen, treffen die für unbefristete Regelungen angestellten Erwägungen nicht zu.

Dem Beklagten stellte sich im Jahr 2008 eine Situation dar, in der zwar die Wirksamkeit von Fortgeltungsklauseln noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen war, die Literatur indes nahezu einhellig jedenfalls befristete Fortgeltungsklauseln für zulässig hielt. Angesichts dieses Meinungsstandes durfte sich der Beklagte auf die kritisch nachvollziehende Lektüre der zu Fortgeltungsklauseln vorhandenen Literatur beschränken und aufgrund dessen die Rechtslage für geklärt halten. Eine darüber hinausgehende Prüfung der Wirksamkeit der Klausel war von ihm hingegen - anders als im Fall einer unbefristeten Fortgeltungsklausel - nicht zu fordern.

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