30.01.2018

Zum Individualanspruch des Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG

Für den Individualanspruch des Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann eine Ausübungsbefugnis des Verbandes nicht begründet werden. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG betrifft den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer, der der Vergemeinschaftung von vornherein entzogen ist.

BGH 13.10.2017, V ZR 305/16
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In einem Vorprozess wurde der in der Gemeinschaftsordnung geregelte Kostenverteilungsschlüssel von dem LG als unwirksam angesehen. Daraufhin ließen einige Miteigentümer eine Vereinbarung notariell beurkunden, mit der der Umlageschlüssel geändert werden sollte, darüber hinaus aber auch die Regelungen der Teilungserklärung zu Sondernutzungsrechten, Instandhaltungspflichten und zur Art der Nutzung des Wohnungs- und Teileigentums sowie die Regelung in der Gemeinschaftsordnung über den Verwalter. Diese Vereinbarung wurde den übrigen Miteigentümern zur Kenntnis gegeben mit der Aufforderung, ihr in notarieller Form zuzustimmen.

In der Eigentümerversammlung vom 28.7.2015 wurde unter dem Tagesordnungspunkt "Gerichtliche Durchsetzung der Unterschrift des Miteigentümers G. (der Kläger) zur Änderung der Teilungserklärung" folgender Beschluss gefasst:
"Die Hausverwaltung wird beauftragt und ermächtigt, außergerichtlich und nötigenfalls gerichtlich, die noch fehlenden Zustimmungen der Eigentümer im Namen der Wohnungseigentümergemeinschaft einzuholen und durchzusetzen."

Das AG wies die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage ab. Das LG gab ihr statt und stellte die Nichtigkeit des Beschlusses fest. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat zu Recht angenommen, dass der angefochtene Beschluss wegen fehlender Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig ist.

Durch den angefochtenen Beschluss wird die Hausverwaltung beauftragt und ermächtigt, im Namen der Eigentümergemeinschaft außergerichtlich, notfalls aber auch gerichtlich, die Zustimmung einzelner Eigentümer zu einer Änderung der Teilungserklärung einzuholen und durchzusetzen. Das LG versteht diesen Beschluss dahin, dass eine alleinige Ausübungsbefugnis des Verbandes für die Individualansprüche der Wohnungseigentümer aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG auf Abschluss der Änderungsvereinbarung begründet werden sollte. Diese Auslegung ist nicht zu beanstanden.

Als Kompetenzgrundlage für den Beschluss kommt allein § 10 Abs. 6 S. 3 WEG in Betracht; dessen Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Für den Individualanspruch des Wohnungseigentümers aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG kann eine Ausübungsbefugnis des Verbandes nicht begründet werden. Nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG übt die Wohnungseigentümergemeinschaft die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus und nimmt die gemeinschaftsbezogenen Pflichten der Wohnungseigentümer wahr, ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind. Diese Regelung bezieht sich nur auf Rechte und Pflichten aus der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums, nicht aber auf das Sondereigentum der einzelnen Wohnungseigentümer oder deren individuelle Mitgliedschaftsrechte.

§ 10 Abs. 2 S. 3 WEG gewährt hingegen dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Abänderung der Grundlagenvereinbarung der Wohnungseigentümergemeinschaft, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint. Dieser Änderungsanspruch bezieht sich nicht auf das Gemeinschaftseigentum und dessen Verwaltung, sondern ausschließlich auf die inhaltliche Ausgestaltung des Gemeinschaftsverhältnisses; er ist damit schon seiner Art nach von § 10 Abs. 6 S. 3 WEG nicht erfasst. § 10 Abs. 2 S. 3 WEG betrifft zudem den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte der Wohnungseigentümer, der der Vergemeinschaftung von vornherein entzogen ist.

Zweck der Regelung ist die Beseitigung unbilliger Härten bei dem die Änderung verlangenden Wohnungseigentümer, die diesem bei einem Festhalten an der bisherigen Regelung entstünden. Folglich dient der Änderungsanspruch gerade dem individuellen Schutz des Einzelnen im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer. Dieses individualschützende Recht würde zur Disposition der Mehrheit gestellt, wenn die Wohnungseigentümer den Änderungsanspruch des Einzelnen dem Verband nach § 10 Abs. 6 S. 3 WEG zur Ausübung übertragen könnten. An dieser rechtlichen Einordnung des Änderungsanspruchs ändert sich auch dann nichts, wenn dieser ausnahmsweise nicht von dem einzelnen Wohnungseigentümer gegenüber der Mehrheit geltend gemacht wird, sondern - wie hier - alle bis auf einen Wohnungseigentümer die Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung in einem bestimmten inhaltlichen Sinne ändern möchten.

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