Zum Nachweis eines vor der Beschlagnahme eines Mietgrundstücks mit einem Verwandten abgeschlossenen Mietvertrages
BGH 21.9.2016, VIII ZR 277/15Der Kläger war am 27.6.2013 zum Zwangsverwalter eines Hausgrundstücks bestellt worden. Er begehrte sodann vom Beklagten, der in diesem Haus unter Berufung auf einen Mietvertrag wohnt, die Räumung und Herausgabe.
Der Beklagte war zunächst selbst Eigentümer des Hausgrundstücks gewesen. Schon damals wurde dessen Zwangsversteigerung durch Grundpfandgläubiger betrieben. Die Mutter des Beklagten ersteigerte daraufhin das Grundstück und erhielt den Zuschlag am 7.7.2009. Am 9.10.2012 verstarb sie und wurde vom Vater des Beklagten beerbt. In der Folgezeit fanden erneut Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück statt. Bei einem Versteigerungstermin am 13.9.2013 wurde kein Gebot abgegeben.
Der Beklagte legte gegenüber dem klagenden Zwangsverwalter die Kopie eines Schriftstücks vor, nach deren Inhalt er mit seiner Mutter unter dem 25./28. August 2009 einen Mietvertrag über das streitige Wohnhaus geschlossen hatte. Unter § 3 fand sich folgende Klausel:
"Der bereits am 16.6.2009 eingegangene und nach Ausweis Herrn S. R. [= Bekl.] zustehende Betrag über rund 157.000 € auf das Konto [...], Inhaberin H. R. [= Mutter des Bekl. und Vermieterin] wird als Mietzahlung (einmalige Gesamtmietzahlung) vereinbart und stellt die beabsichtigte und tatsächliche Miete für die gesamte Vertragsdauer dar. Darüber hinaus wird keine weitere Mietzahlung oder Nebenkostenzahlung geschuldet."
Im Hinblick auf die von ihm behauptete Einmalmietzahlung leistete der Beklagte keine Mietzahlungen an den Kläger. Dieser machte geltend, der Mietvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil er nur auf Schädigung der Zwangsvollstreckungsgläubiger gerichtet sei. Daneben erklärte der Kläger die fristlose Kündigung wegen ausgebliebener Mietzahlungen.
AG und LG gaben der Räumungsklage statt. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.
Die Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde war bereits unzulässig, weil der Beschwerdewert von mehr als 20.000 € gem. § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht worden war.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der Beschwerdewert bei einem Streit über das Bestehen eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietverhältnisses, wozu auch ein Mietverhältnis auf die Lebensdauer des Mieters gehört, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der vereinbarten Nettomiete, also 42 Monatsmieten, zu bemessen. Bei Vereinbarung einer Einmalmiete für eine lebenslange Wohndauer ist zur Ermittlung der Beschwer der Einmalbetrag auf die Dauer der voraussichtlichen weiteren Lebenserwartung des Mieters zu verteilen.
Da der Beklagte bei Abschluss des behaupteten Mietvertrags 40 Jahre alt war, ergäbe sich selbst bei einer - eher niedrig angesetzten - Lebenserwartung von weiteren 35 Jahren eine Monatsmiete von (nur) rund 375 € und eine Beschwer von rund 15.750 € (42 Monatsmieten). Auf den objektiven Mietwert kommt es nicht an (Beschl. v. 23.3.2016, Az.: VIII ZR 26/16).
Außerdem legt die - im Zuge von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in ein Familieneigenheim durchaus häufiger (und auch hier) zu beobachtende - Konstellation, dass sich ein naher Verwandter des ehemaligen Eigentümers gegenüber dem Zwangsverwalter (oder dem Ersteigerer) auf einen Mietvertrag mit dem früheren Eigentümer beruft, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Konditionen (Mietvorauszahlungen und/oder ungewöhnlich niedrige Miete, lebenslanges Wohnrecht o.ä.) jegliche Erträge aus dem Grundstück zum Vorteil des Mieters auf Dauer oder zumindest für einen sehr langen Zeitraum ausschließt, den Verdacht kollusiven Verhaltens zum Nachteil der Gläubiger zumindest nahe. Letztlich drängt sich in derartigen Fällen die Frage auf, ob ein - meist nur in Kopie vorgelegter - (angeblicher) Mietvertrag mit einem früheren Eigentümer tatsächlich zu dem darin angegebenen Zeitpunkt und mithin vor der Beschlagnahme des Grundstücks abgeschlossen wurde (vgl. Urt. v. 18.9.2013, Az.: VIII ZR 297/12).
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