20.09.2018

Zum Rechnungsmerkmal "vollständige Anschrift" bei der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug

Die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug setzt nicht voraus, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der dem Unternehmer erteilten Rechnung, für dessen Unternehmen die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind, angegeben ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der leistende Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift erreichbar ist.

Kurzbesprechung
BFH v. 13.6. 2018 - XI R 20/14

UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 4 Satz 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1

UStDV 2005 §§ 17a ff.

MwStSystRL Art. 131, Art. 178 Buchst. a, Art. 226 Nr. 5

Eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung erfordert, dass die Rechnung den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht, was gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers sowie des Leistungsempfängers notwendig macht.

Der BFH hat nun entschieden, dass nach Ergehen des EuGH-Urteils Geissel vom 15.11. 2017 - C‑374/16 u. C‑375/16 (UR 2017, 970) § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass der Vorsteuerabzug nicht den Besitz einer Rechnung mit der Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.

Im entschiedenen Streitfall waren diese Anforderungen an eine zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung erfüllt, da der Unternehmer unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten hatte. Unter dieser Anschrift befanden sich u.a. der statuarische Sitz des Unternehmers und ein Buchhaltungsbüro, das die Post für den Unternehmer entgegengenommen und für ihn Buchhaltungsarbeiten erledigt hatte.

Der BFH verwies den Streitfall jedoch an die Vorinstanz zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und erneuten Entscheidung zurück, da nach den bisherigen Feststellungen nicht entschieden werden konnte, ob der Unternehmer den geltend gemachten Vorsteuerabzug aus den streitigen Eingangsleistungen zu Recht beansprucht hatte.

BFH, Urteil vom 13.6.2018, XI R 20/14, veröffentlicht am 19.9.2018.

Verlag Dr. Otto Schmidt