Zum Umfang des Kfz-Versicherungsschutzes für Bissschäden durch Mäusebefall
OLG Frankfurt a.M. 5.9.2018, 7 U 25/16Das Auto des Klägers ist bei der beklagten Versicherung teilkaskoversichert. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten heißt es in Ziff. A.2.2.7: "Versichert sind Schäden, die unmittelbar durch Tierbiss am Fahrzeug verursacht wurden. Schäden am Fahrzeuginnenraum sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen."
Im Frühjahr 2014 ließ der Kläger das versicherte Fahrzeug in einer Werkstatt überprüfen. Es wurde festgestellt, dass die Wasserabläufe des Panoramadaches zerbissen, der Kopfairbag auf der Beifahrerseite angefressen und hinter dem Armaturenbrett starke Bissschäden an der Dämmung und an der Isolierung der Verkabelung vorhanden waren. Ein Sachverständiger bestätigte weitere Schäden hinter diversen seitlichen Verkleidungsteilen, oberhalb des Dachhimmels und unterhalb des Bodenbelags, die eindeutig auf Nagetiere - wahrscheinlich Mäuse - zurückzuführen sind.
Die Beklagte lehnte eine Leistungspflicht ab. Sie meinte, dass es sich um Schäden im Fahrzeuginnenraum handele, die vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien. Der Kläger begehrt deshalb festzustellen, dass die Beklagte für die Verbissschäden durch Mäusebefall eintrittspflichtig sei.
Das LG wies die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG das Urteil ab und gab der Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Es liegt ein versicherter Schaden durch Tierbiss am Fahrzeug i.S.d. Ziff. A.2.2.7 S. 1 der Versicherungsbedingungen vor.
Die Schäden im Bereich zwischen der Außenhaut des Autos und der Innenraumverkleidung sind "am Fahrzeug" i.S.v. S. 1 der Klausel entstanden. Denn damit ist nicht nur die Außenhülle des Autos gemeint, sondern das Fahrzeug als Ganzes. Von dieser Gesamtheit des Fahrzeugs nimmt S. 2 der Klausel zwar den Fahrzeuginnenraum aus. Die hier zu beurteilenden Schäden befinden sich indes nicht im Fahrzeuginnenraum. Der Begriff des Fahrzeuginnenraums ist aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Dieser geht davon aus, dass der Innenraum durch Fahrgastzelle und Kofferraum definiert wird, d.h. die durch Menschen benutzbaren und zugänglichen Bereiche. Als Innenraumschaden wird er all diejenigen Schäden werten, die er ohne Demontage des Fahrzeugs als Bisspuren qualifizieren kann.
Nicht zum Innenraum gehört jedoch der Zwischenraum hinter der Verkleidung mit Lüftungselementen, Klimaanlage, Sicherheitseinrichtungen, Bordelektronik etc. und den entsprechenden Verkabelungen. Für dieses Verständnis spricht auch, dass der in S. 2 der Klausel enthaltene Risikoausschluss für Innenraumschäden grundsätzlich eng auszulegen ist. Ein Risikoausschluss darf grundsätzlich nicht weiter ausgedehnt werden, als es sein Sinn unter Beachtung des wirtschaftlichen Zwecks erfordert. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass der Versicherungsschutz bei einem anderen Verständnis in Anbetracht der in der mitteleuropäischen Fauna vertretenen potenziellen Schadtiere und ihrer Bissgewohnheiten praktisch leer laufen würde. Tierbissschäden treten vor allem im Motorraum an durchbissenen Kabeln auf.