13.04.2012

Zum unerlaubten Filesharing im Internet

Die Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber im Hinblick auf unerlaubtes Filesharing im Internet Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, wird von den OLG nicht einheitlich beantwortet. Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint somit eine Entscheidung des BGH als Revisionsgericht erforderlich.

BVerfG 21.3.2012, 1 BvR 2365/11
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist ein auf Onlinerecherche und Internetpiraterie spezialisierter Polizeibeamter. Er wurde von Unternehmen der Musikindustrie auf Schadensersatz aufgrund von Filesharing über seinen privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig geworden war, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers über dessen Internetzugang in einer Tauschbörse Musikdateien zum Download angeboten hatte, nahmen die Klägerinnen ihren Schadensersatzanspruch zurück, forderten aber weiterhin Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten. Diese berechneten sie aus einem Gegenstandswert von 400.000 €, woraus sich eine Forderung von rund 3.500 € ergab.

Der Beschwerdeführer wandte hiergegen ein, dass im Hinblick auf das BGH-Urteil "Sommer unseres Lebens" (BGHZ 185, 330) ihn als Inhaber des Internetanschlusses keine Prüfpflichten getroffen hätten, da der 20-jährige Sohn seiner Lebensgefährtin selbst die erforderliche Reife und Rechtskenntnis besessen habe. Außerdem sei das Vorgehen der Klägerinnen rechtsmissbräuchlich, denn die Zahlungen kämen nicht den Rechteinhabern zugute; der eigentliche Kläger sei deren Prozessbevollmächtigter, dem es vereinbarungsgemäß frei stehe, "als angemessen zu betrachten und dann zu behalten, was zu erlangen ist".

Das LG verurteilte den Beschwerdeführer antragsgemäß. Dieser hafte für die durch das unerlaubte Filesharing begangene Schutzrechtsverletzung, weil er seinen Internetzugang zur Verfügung gestellt und dadurch die Teilnahme an der Musiktauschbörse ermöglicht habe. Vor dem Hintergrund seiner besonderen beruflichen Kenntnisse habe für den Beschwerdeführer jedenfalls eine Prüf- und Handlungspflicht bestanden, um der Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung vorzubeugen. Die Berufung des Beschwerdeführers blieb vor dem OLG erfolglos. Gerade im Hinblick auf die "Sommer unseres Lebens"-Entscheidung hätte der Beschwerdeführer darüber aufklären müssen, dass die Teilnahme an Tauschbörsen verboten sei.

Die Revision gegen sein Urteil ließ das OLG nicht zu. Auf die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers hob das BVerfG das OLG-Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG-Urteil verletzte den Beschwerdeführer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, weil es nicht erkennen ließ, aus welchen Gründen die Revision zum BGH nicht zugelassen wurde, obwohl deren Zulassung im vorliegenden Fall nahe gelegen hätte.

Die hier entscheidende Rechtsfrage, ob einen Internetanschlussinhaber Prüf- und Instruktionspflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, wird von den OLG nicht einheitlich beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine Pflicht, die Benutzung seines Internetanschlusses zu überwachen oder gegebenenfalls zu verhindern, nur besteht, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung seines Anschlusses hat, lässt das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Urteil für das Entstehen einer Instruktions- und Überwachungspflicht grundsätzlich bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten, gleich welchen Alters, genügen.

Der BGH hat die Frage, ob und in welchem Umfang Prüfpflichten des Anschlussinhabers bestehen, für die hier relevante Konstellation noch nicht entschieden. Die hier vom OLG herangezogene "Sommer unseres Lebens"-Entscheidung beantwortet die Frage nicht; sie betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, inwieweit ein WLAN-Anschluss gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte gesichert werden muss.

Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung erschien somit eine Entscheidung des BGH als Revisionsgericht erforderlich. Schließlich kann sich die hier klärungsbedürftige Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts.

Linkhinweis:

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BVerfG PM Nr. 22 vom 13.4.2012
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