22.11.2013

Zum Vorkaufsrecht des Mieters beim Verkauf eines ungeteilten Mietshauses

Das Vorkaufsrecht des Mieters gem. § 577 Abs. 1 BGB entsteht grundsätzlich nicht, wenn ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück verkauft wird und erst die Erwerber durch Teilungsvereinbarung gem. § 3 WEG Wohnungseigentum begründen. Das gilt in der Regel auch dann, wenn die Erwerber beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen (sog. "Erwerbermodell").

BGH 22.11.2013, V ZR 96/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte war Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Eine der vier in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen vermietete sie an die Klägerin. Nachdem das zuständige Landratsamt die Abgeschlossenheitsbescheinigung erteilt hatte, verkaufte die Beklagte den ungeteilten Grundbesitz im März 2009 an drei Erwerber zum Preis von 120.000 €.

Diese ließen noch am gleichen Tag und bei demselben Notar eine Teilungsvereinbarung gem. § 3 WEG beurkunden. Mit Erklärung vom 14.3.2011 übte die Klägerin gegenüber der Beklagten das auf § 577 Abs. 1 S. 1 BGB gestützte Vorkaufsrecht aus. Mit ihrer Klage will sie feststellen lassen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Kaufvertrag über die von ihr gemietete Wohnung zum Preis von 30.000 € zustande gekommen ist.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Vorkaufsrecht entsteht bei dem Verkauf eines ungeteilten Grundstücks vor Begründung des Wohnungseigentums im Grundsatz nur dann, wenn sich der Veräußerer gegenüber den Erwerbern vertraglich verpflichtet, seinerseits die Aufteilung gem. § 8 WEG durchzuführen. Darüber hinaus muss die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Dagegen ist es regelmäßig nicht ausreichend, wenn - wie hier - die Erwerber die Teilung durchführen. Das Vorkaufsrecht gem. § 577 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB soll nämlich nicht zum Erwerb des gesamten Grundstücks berechtigen.

Der Mieter soll auch keinen bloßen Miteigentumsanteil, sondern das in seiner Entstehung bereits angelegte Eigentum an der von ihm gemieteten Wohnung erwerben können. Weil das Vorkaufsrecht einen Vertrag zwischen dem Mieter und dem Verkäufer nach den Bedingungen des mit den Erwerbern geschlossenen Kaufvertrags entstehen lässt, muss sich der Verkäufer gegenüber den Erwerbern verpflichtetet haben, die Aufteilung vorzunehmen. Nur dann ist sichergestellt, dass der Mieter tatsächlich Wohnungseigentum erwerben kann. Bei einer Aufteilung durch die Erwerber ist dies nicht gewährleistet. Wollte man auch hier ein Vorkaufsrecht annehmen, könnte der Mieter zunächst allenfalls einen Miteigentumsanteil an dem ungeteilten Grundbesitz erwerben. In eine Teilungsvereinbarung der Erwerber träte er aus Rechtsgründen nicht ein.

Folglich könnten die Erwerber ihre Aufteilungsabsicht aufgeben, ohne dass der Mieter dies verhindern könnte; dies wäre für ihn mit ganz erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken verbunden. Die Gefahr einer Verdrängung des Mieters ist bei dem Erwerbermodell im Übrigen inzwischen vermindert worden, weil der Gesetzgeber die Sperre für die Kündigung wegen Eigenbedarfs durch die am 1.5.2013 in Kraft getretene Vorschrift des § 577a Abs. 1a BGB auf die Veräußerung an eine Erwerbermehrheit erstreckt hat.

Im Einzelfall kann das Vorkaufsrecht allerdings entstehen, wenn ein Rechtsmissbrauch festzustellen ist. Dies setzt voraus, dass die Parteien des Kaufvertrags nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts bewusst auf eine an sich beabsichtigte Teilung durch den Veräußerer verzichten und die Teilung den Erwerbern überlassen. Hier hat das OLG jedoch festgestellt, dass die Verkäuferin über die bloße Kenntnis von der Absicht der Erwerber hinaus kein eigenes Interesse an der Aufteilung hatte; ihre Kenntnis reicht als solche nicht aus, um einen Rechtmissbrauch anzunehmen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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BGH PM Nr. 192 vom 22.11.2013