28.11.2017

Zum Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen über Luftbildaufnahmen

Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation liegt nicht vor, wenn Fotos unter Verwendung bereits vor der Kontaktaufnahme mit dem Kunden gefertigter digitaler Bilder hergestellt werden, sie also nicht nach Bestellung des Kunden verändert, sondern lediglich zum Teil reproduziert und vergrößert werden. Infolgedessen ist eine Firma, die gewerblich Luftbildaufnahmen von Hausgrundstücken anbietet, dazu verpflichtet, in den von ihr geschlossenen Verträgen mit Verbrauchern ein Widerrufsrecht einzuräumen und über dieses Widerrufsrecht zutreffend zu belehren.

OLG Brandenburg 14.11.2017, 6 U 12/16
Der Sachverhalt:
Die Beklagte bietet Aufnahmen von bewohnten Hausgrundstücken nebst Umgebung an. Dabei verwendet sie durch eine Drittfirma beim Überfliegen eines bestimmten Gebiets ohne Kenntnis und Auftragserteilung der Grundstücksbesitzer aufgenommenes digitales Bildmaterial. Außendienstmitarbeiter der Beklagten ermitteln nach Vorliegen der Luftbildaufnahmen Namen und Anschrift der Anwohner des betroffenen Gebietes und suchen diese ohne vorherige Kontaktaufnahme oder Bestellung an der Haustür auf, um ihnen die Anfertigung von Fotoabzügen anzubieten.

Den Anwohnern werden Übersichtsbilder vorgelegt, auf denen u.a. das von ihnen bewohnte Hausgrundstück abgebildet ist. Entschließt sich ein Kunde zum Erwerb eines Fotos, wird im Kundengespräch der im späteren Abzug zu vergrößernde Ausschnitt festgelegt und nach Angabe von Format, Rahmen, etwaiger Veredelung und gegebenenfalls Retuschen als Bild gefertigt. Das von der Beklagten verwendete Vertragsformular enthält den Hinweis, dass kein Widerrufsrecht für die Vertragserklärung besteht.

Die klagende Verbraucherzentrale hielt diese Vorgehensweise für rechtswidrig. Das LG verpflichtete die Beklagte auf Antrag der Klägerin, in den von ihr geschlossenen Verträgen mit Verbrauchern ein Widerrufsrecht einzuräumen und über dieses Widerrufsrecht zutreffend zu belehren. Die gegen das Urteil gerichtete Berufung blieb vor dem OLG erfolglos. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Das Widerrufsrecht, das Verbrauchern bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Lieferung von Waren zusteht, findet auf die von der Beklagten geschlossenen Verträge Anwendung. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die gesetzlich vorgesehene Ausnahmeregelung für die Lieferung solcher Waren Anwendung findet, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl ober Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind.

Eine Anfertigung nach Kundenspezifikation i.S.d. Vorschrift liegt nicht vor, weil die Fotos unter Verwendung bereits vor der Kontaktaufnahme mit dem Kunden gefertigter digitaler Bilder hergestellt werden. Sie werden also nicht nach Bestellung des Kunden verändert, sondern lediglich zum Teil reproduziert und vergrößert. Die Ware, auf die sich das Interesse des Kunden richtet, ist das auf dem Foto abgebildete, bereits in der Bilddatei in seinen maßgeblichen Parametern bestimmte Motiv. Die Herstellung dieser später verkauften Ware erfolgt bereits mit dem Vorgang des Fotografierens. Soweit durch den Kunden die Größe oder der Rahmen und die Qualität des Bildes bestimmt werden, stellt dies gegenüber dem Fotoausdruck nur eine Nebenleistung dar.

Da im Ausschluss des Widerrufsrechts ein Verstoß gegen die dem Verbraucherschutz dienenden gesetzlichen Pflichten des Verkäufers liegt, ist die Klägerin berechtigt, die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Formulierungen in Anspruch zu nehmen, die das Widerrufsrecht ausschließen oder die Information der Verbraucher über ihr Recht zum Widerruf beeinträchtigen.

OLG Brandenburg PM vom 27.11.2017