29.11.2019

Zum Zeitpunkt der Steuerentstehung bei Sollversteuerung

Auf den Zeitpunkt der Entrichtung des Entgeltes kommt es für die Steuerentstehung bei Sollversteuerung nicht an. Da § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG nicht unionsrechtskonform auslegbar ist, setzt die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 64 MwStSystRL) voraus, dass der Steuerpflichtige sich auf die Vorschrift beruft.

Kurzbesprechung
BFH v. 22.8.2019 - V R 47/17

UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 16 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 10 Abs. 2 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
BGB § 133, § 157


Streitig war, ob eine Zahlung im Zusammenhang mit der Schließung eines Bahnübergangs Schadensersatz oder umsatzsteuerliches Entgelt darstellt und ob im Falle der Annahme eines steuerbaren Umsatzes dieser im Streitjahr (2006) zu erfassen ist.

Im Streitfall handelte es sich bei der Rücknahme der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vor dem Verwaltungsgericht durch den Steuerpflichtigen umsatzsteuerrechtlich um eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung. Die vom Steuerpflichtigen erbrachte streitbefangene Leistung war die im Zuge der Vereinbarung vom 18.05.2005 am selben Tag erklärte Klagerücknahme, so dass die Steuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG damit vor dem Streitjahr 2006 entstanden ist.

Die Steuer entsteht nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 1 und 2 UStG für Lieferungen und sonstige Leistungen bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG) mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen oder Teilleistungen ausgeführt worden sind (sog. Sollbesteuerung).

Die Auslegung der in der Vereinbarung vom 18.05.2005 abgegebenen Willenserklärungen führte dazu, dass die Leistung des Steuerpflichtigen in der Rücknahme der Klage am 18.05.2005 bestand. Hierauf kam es der DB Netz AG an, um Planungssicherheit zu haben und die mit einem Prozess verbundenen Risiken zu vermeiden.

Auf den Zeitpunkt in den das Entgelt (hier die "Entschädigungszahlung" und die Errichtung des Ersatzwegs) entrichtet wird, kommt es für die Steuerentstehung bei der Sollversteuerung dagegen nicht an.

Auch aus Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG ergab sich für das Streitjahr nichts anderes. Danach gelten Lieferungen von Gegenständen außer in den in Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG benannten Fällen und Dienstleistungen, die zu aufeinander folgenden Abrechnungen oder Zahlungen Anlass geben, als mit Ablauf des Zeitraums bewirkt, auf den sich diese Abrechnungen oder Zahlungen beziehen. Die Anwendung von Art. 10 Abs. 2 Satz  2 der Richtlinie 77/388/EWG setzt jedoch schon grundsätzlich voraus, dass der Steuerpflichtige sich auf diese Vorschrift beruft, was im Streitfall jedoch nicht vorlag.
 
Verlag Dr. Otto Schmidt