18.08.2015

Zur Abänderung des titulierten Unterhalts wegen möglichen Wechsels in einen günstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung

Ist die Abänderung eröffnet, so ist die Berücksichtigung des Umstands nur dann ausgeschlossen (präkludiert), wenn dieser bereits im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich war. War der Umstand (hier: Möglichkeit des Wechsels der Unterhaltsberechtigten in einen günstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung) im vorausgegangenen Verfahren allein für die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB anzustellende Gesamtschau von Bedeutung, ist seine Berücksichtigung im Abänderungsverfahren im Zweifel nicht ausgeschlossen.

BGH 15.7.2015, XII ZB 369/14
Der Sachverhalt:
Die 1974 geschlossene Ehe der Beteiligten, aus der zwei inzwischen erwachsene Kinder hervorgegangen sind, ist seit September 2001 rechtskräftig geschieden. Der Ehemann und Antragsteller war Polizeibeamter im höheren Dienst und befindet sich seit im April 2011 im Ruhestand. Die Ehefrau und Antragsgegnerin hatte den Beruf der Arzthelferin erlernt. Während der Ehe kümmerte sie sich um Haushalt und Kinder und ging keiner geregelten Erwerbstätigkeit nach. Sie bezieht seit November 2007 eine Altersrente und ist privat krankenversichert.

Der Unterhalt ist zuletzt - in Abänderung einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 - durch "Teil-Anerkenntnis- und Schluss-Urteil" des AG vom 25.11.2009 festgesetzt worden. Er beläuft sich für die Zeit ab April 2008 auf monatlichen Elementarunterhalt i.H.v. 56,19 € sowie Krankenvorsorgeunterhalt von monatlich 593,81 €.

Der Ehemann begehrte die Abänderung des titulierten Unterhalts dahin, dass er für die Zeit ab Juni 2011 keinen nachehelichen Unterhalt mehr schuldet. Außerdem machte er die Herausgabe des Titels sowie die Rückzahlung gezahlten Unterhalts geltend. Das AG setzte den (Gesamt-)Unterhalt für die Zeit ab Juni 2011 auf monatlich 258 € herab. Im Übrigen wies es die Anträge ab. Das OLG bestätigte die Entscheidung. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hob der BGH den Beschluss des OLG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Das OLG war zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Berufung auf einen möglichen Wechsel in einen kostengünstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung im Rahmen der Herabsetzung oder Befristung des Krankenvorsorgeunterhalts nach § 238 Abs. 2 FamFG ausgeschlossen sei. Der Senat ist gehindert, in der Sache abschließend zu entscheiden, weil dies der umfassenden erneuten tatrichterlichen Beurteilung bedarf.

Nach § 238 Abs. 1 FamFG kann jeder Teil die Abänderung einer in der Hauptsache ergangenen Endentscheidung des Gerichts beantragen, die eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen enthält. Der Antrag ist zulässig, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt. Gem. § 238 Abs. 2 FamFG kann der Antrag nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Bei mehreren vorausgegangenen (Abänderungs-)Entscheidungen ist auf die im letzten Abänderungsverfahren ergangene Entscheidung abzustellen.

Die Abänderungsentscheidung besteht in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse. Für das Ausmaß der Abänderung kommt es darauf an, welche Umstände für die Bemessung der Unterhaltsrente seinerzeit maßgebend waren und welches Gewicht ihnen dabei zugekommen ist. Auf dieser durch Auslegung zu ermittelnden Grundlage muss der Richter im Abänderungsverfahren unter Berücksichtigung der neuen Verhältnisse feststellen, welche Veränderungen in diesen Umständen eingetreten sind und welche Auswirkungen sich daraus für die Höhe des Unterhalts ergeben. Infolgedessen richtet sich auch die Präklusion von für die Herabsetzung und Befristung des Unterhalts gem. § 1578 b Abs. 1 u. 2 BGB erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen.

Ein vom Gericht im vorausgegangenen Verfahren zur Frage der Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen Bedarf übersehener Umstand kann für sich genommen nicht die Abänderung der Entscheidung eröffnen. Ist die Abänderung hingegen aus anderen Gründen eröffnet, so ist die Berücksichtigung des Umstands nur dann ausgeschlossen (präkludiert), wenn dieser bereits im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich war. War der Umstand - hier: Möglichkeit des Wechsels der Unterhaltsberechtigten in einen günstigeren Tarif der privaten Krankenversicherung im Rahmen des Krankenvorsorgeunterhalts - im vorausgegangenen Verfahren allein für die im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1578b BGB anzustellende Gesamtschau von Bedeutung, ist seine Berücksichtigung im Abänderungsverfahren im Zweifel nicht ausgeschlossen.

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