Zur Annahme des volljährigen Kindes des geschiedenen Ehegatten
BGH 15.1.2014, XII ZB 443/13Der Beteiligte zu 1) erstrebt die Volladoption seiner volljährigen, leiblichen Tochter (im Folgenden: Anzunehmende). Die Ehe der Eltern der im Jahr 1978 geborenen Anzunehmenden wurde 1981 geschieden. Ihre Mutter, die Beteiligte zu 2), heiratete daraufhin B. Dieser nahm die Anzunehmende im Januar 1985 als Kind an. Die Eheleute trennten sich bereits wieder im September 1985; ihre Ehe wurde 1987 geschieden. B und die Anzunehmende haben keinen Kontakt mehr. In den Jahren 1994 bis 1996 lebte die Anzunehmende als Pflegekind in der Familie des Beteiligten zu 1), der ebenfalls erneut geheiratet hatte. Aus der späteren Ehe des Beteiligten zu 1) ist eine weitere Tochter hervorgegangen, zu der er nach der Scheidung dieser Ehe keinen Kontakt mehr unterhält.
Durch notarielle Urkunde vom September 2012 beantragte der Beteiligte zu 1) die Annahme der Anzunehmenden als Kind, und zwar mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen, hilfsweise mit den Wirkungen einer Erwachsenenadoption. Die Anzunehmende stimmte diesem Antrag zu, die Beteiligte zu 2) und die Beteiligte zu 3) (jetzige Ehefrau des Beteiligten zu 1) erklärten in derselben Urkunde ihr Einverständnis. Durch weitere notarielle Urkunde vom Oktober 2012 erklärte auch der Adoptivvater der Anzunehmenden sein Einverständnis mit der Adoption.
Das AG beschloss, dass die Anzunehmende vom Beteiligten zu 1) als Kind angenommen wird. Den weitergehenden Antrag, die Adoption mit den Wirkungen einer Minderjährigenadoption auszusprechen, wies es zurück, weil keine der Voraussetzungen des § 1772 Abs. 1 BGB vorlägen. Mit seiner Beschwerde begehrte der Beteiligte zu 1) neben der nach wie vor erstrebten Volladoption die Feststellung, dass durch diese Adoption das Verwandtschaftsverhältnis zur leiblichen Mutter der Anzunehmenden nicht erlösche. Das OLG wies die Beschwerde zurück. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) hatte vor dem BGH ebenfalls keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das OLG ist zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, dass mit der Annahme eines Volljährigen dessen Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Verwandten erlischt, wenn das Gericht bei der Annahme bestimmt, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten.
Eine Ausnahme hiervon sieht § 1755 Abs. 2 BGB vor, der gem. § 1772 Abs. 1 S. 1 BGB ebenfalls auf die Volljährigenadoption Anwendung findet. Danach tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten ein, wenn ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten annimmt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber bezweckt, dass das Verwandtschaftsverhältnis des Ehegatten des Annehmenden zu seinem Kind nicht erlischt, sondern zum ehelichen Eltern-Kind-Verhältnis erstarkt. Erlöschen soll nur das Verwandtschaftsverhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten.
Damit unterliegt die Stiefkindadoption einer Sonderregelung, weil die Verwurzelung in dessen Familie durch die Adoption gerade gestärkt werden soll. Mit der Regelung des § 1755 Abs. 2 BGB, dessen tatbestandliche Voraussetzungen hier aber nicht vorliegen, soll mithin die Stieffamilie in ihrem Zusammenhalt geschützt und damit dem besonderen Schutz der Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung getragen werden. Geschiedene und damit getrennt lebende Eheleute bedürfen demgegenüber eines solchen Schutzes nicht, weshalb es insofern an einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG fehlt.
Sofern die Rechtsbeschwerde meint, die Wirkungen des § 1755 Abs. 2 BGB könnten auch dadurch erreicht werden, dass sich die leiblichen Eltern der Anzunehmenden jeweils von ihren Ehegatten scheiden ließen und erneut miteinander die Ehe eingingen, ist diese rechtliche Möglichkeit im Hinblick auf die Wirkung der neuen Ehe der Eltern mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Würde man dem Begehren des Annehmenden Folge leisten, würde dies zudem auch eine Umgehung der restriktiv zu handhabenden Aufhebungsvorschriften des Adoptionsrechts darstellen, weil auf diesem Wege letztlich der Zustand wiederhergestellt würde, der vor der Annahme der Anzunehmenden durch B bestanden hat.
Schließlich ist zu beachten, dass die Beteiligten durch die gesetzliche Regelung im vorliegenden Fall keinen erheblichen Nachteil erleiden. Durch die vom AG ausgesprochene Volljährigenadoption nach §§ 1767, 1770 BGB ist das natürliche Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Beteiligten zu 1) und der Anzunehmenden in statusrechtlicher Hinsicht wiederhergestellt worden.
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