19.07.2011

Zur Anwendung deutschen oder Schweizer Rechts bei Behandlung eines deutschen Patienten in Kantonsspital

Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB verdrängt als Ausnahmebestimmung in besonders gelagerten Fällen die allgemein gehaltenen Anknüpfungsregeln der Art. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB - mithin auch das Wahlrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2. Danach kommt ein anderes Recht zur Anwendung, mit dem der zu beurteilende Sachverhalt eine wesentlich engere Verbindung aufweist.

BGH 19.7.2011, VI ZR 217/10
Der Sachverhalt:
Der Kläger lebt in Deutschland. Im Juli 2004 hatte er während eines Aufenthaltes in der Schweiz  das vom Kanton Basel-Stadt betriebene Universitätsspital zur ambulanten Behandlung einer chronischen Hepatitis C-Erkrankung aufgesucht. Die ersten Untersuchungen führte Prof. Dr. B. in den darauffolgenden Tagen. Danach übernahm der beim Spital beschäftigte Beklagte die weitere Behandlung. Er verordnete dem Kläger eine medikamentöse Therapie in Form von Tabletten und Eigeninjektionen über eine Dauer von 24 Wochen, die - nach Erstinjektion im Universitätsspital - am Wohnort des Klägers unter begleitender Kontrolle seines Hausarztes stattfand. Die Rechnungen für die Behandlung wurden von dem Universitätsspital erstellt und vom Kläger bezahlt. Im November 2004 brach der Kläger die Therapie ab, da er unter schweren Nebenwirkungen der Medikamente litt.

Der Kläger nahm den Beklagten wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer Medikamenteneinnahme verbundenen Risiken auf Schadensersatz in Anspruch. Für seine Klage wählte er gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts als des Rechts des Erfolgsortes. Das LG wies die Klage als derzeit unbegründet ab. Es hatte die geltend gemachten Ansprüche nach deutschem Recht beurteilt, da die Nebenwirkungen der Medikamente in Deutschland aufgetreten seien. Das OLG ging hingegen von der Anwendbarkeit Schweizer Rechts aus und wies die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als (endgültig) unbegründet abgewiesen wird.

Die Revision des Klägers blieb vor dem BGH ohne Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus deliktischer Haftung.

Die deliktische Haftung des Beklagten richtete sich gem. Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach Schweizer Recht. Die Regelung verdrängte als Ausnahmebestimmung in besonders gelagerten Fällen die allgemein gehaltenen Anknüpfungsregeln der Art. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB - mithin auch das vom Kläger in Anspruch genommene Wahlrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2. Danach kommt ein anderes Recht zur Anwendung, mit dem der zu beurteilende Sachverhalt eine wesentlich engere Verbindung aufweist.

Der vorliegende Lebenssachverhalt stand mit der gem. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB an sich zur Anwendung berufenen deutschen Rechtsordnung in geringem, mit der Schweizer Rechtsordnung jedoch in wesentlich engerem Zusammenhang. Auch wenn zwischen den Parteien kein vertragliches Rechtsverhältnis bestand, waren ihre Beziehungen zueinander maßgeblich durch das zwischen dem Kanton als Träger des Universitätsspitals und dem Kläger bestehende und in der Schweizer Rechtsordnung verwurzelte ärztliche Behandlungsverhältnis geprägt. Der beim Spital beschäftigte Beklagte war einer der behandelnden Ärzte und mit der Erfüllung der dem Kanton aufgrund des mit dem Kläger bestehenden Behandlungsverhältnisses obliegenden Pflichten betraut. Der behauptete Aufklärungsfehler unterlief dem Beklagten im inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der sowohl den Kanton aufgrund des Behandlungsverhältnisses mit dem Kläger als auch ihn als behandelnden Arzt treffenden Pflichten.

Allerdings war der Beklagte gem. § 3 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt über die Haftung des Staates und seines Personals vom 17.11.1999 (Haftungsgesetz) als Beschäftigter des Kantons von jeder Haftung freizusprechen. Denn nach § 3 Abs. 1 Haftungsgesetz haftet der Kanton nach den Bestimmungen des Haftungsgesetzes nur für den Schaden, den sein Personal in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufügt.

Linkhinweise:

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BGH PM Nr. 131 vom 19.7.2011
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