Zur Arglist beim Grundstückskauf im Hinblick auf Altlastenverdacht
BGH 21.7.2017, V ZR 250/15Der Kläger hatte im September 2003 von der Beklagten zu 1) mehrere mit einem Gewerbepark bebaute Grundstücke erworben. Die Haftung der Beklagten zu 1) für Sachmängel wurde ausgeschlossen, mit Ausnahme der Haftung für Vorsatz und Arglist. Der Beklagte zu 3), von Beruf Bauingenieur und Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 1), hatte die Grundstücke 1989 von einem Hoch- und Tiefbauunternehmen erworben. Ihm war bekannt, dass auf den Grundstücken in den 1960er bis 80er Jahren eine Asphaltmischanlage für den regionalen Straßenbau sowie ein Klärschlammrückhaltebecken betrieben worden waren. Die damalige Verkäuferin hatte in dem mit dem Beklagten zu 3) geschlossenen Vertrag versichert, dass ihr Bodenverunreinigungen nicht bekannt seien.
Der Kläger verlangte von den Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner wegen eines aufgrund der früheren Nutzung der Grundstücke nach seiner Behauptung bestehenden Altlastenverdachts u.a. Schadensersatz i.H.d. Wertdifferenz zwischen dem Kaufobjekt in mangelfreiem und in mangelbehaftetem Zustand (884.000 €). Das OLG hat die erstmals in der Berufungsinstanz gestellten Anträge abgewiesen. Es war der Ansicht, hinsichtlich des Altlastenverdachts sei weder eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung vorgetragen noch habe der Kläger bewiesen, dass die Beklagte zu 1) den Altlastenverdacht arglistig verschwiegen habe.
Auf die Revision des Klägers hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverweisen.
Gründe:
Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts konnte ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) aus § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB auf Ersatz sachmangelbedingter Schäden hinsichtlich der erworbenen Grundstücke nicht verneint werden. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die frühere Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücke objektiv einen Altlastenverdacht und damit einen Sachmangel begründet.
Zwar ist nicht jedes Grundstück, dessen Nutzung als Industriegelände schon Jahrzehnte zurückliegt, von vornherein als altlastenverdächtig einzustufen. Anders liegt es aber, wenn die frühere Nutzung die Gefahr von erheblichen Schadstoffbelastungen begründet, wie etwa bei einer ehemaligen "wilden Müllkippe" oder einer Tankstelle. Auch die Nutzung eines Grundstücks als Werksdeponie in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ohne anschließend durchgeführte Entsorgung stellt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung einen offenbarungspflichtigen Sachmangel dar, weil bei einer Deponie immer die Möglichkeit in Rechnung gestellt werden muss, dass auf ihr auch Abfälle gelagert wurden, die wegen ihrer chemischen Zusammensetzung eine besondere Gefahr darstellen.
Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, muss der aus der früheren Nutzung des Grundstücks abgeleitete Altlastenverdacht nicht durch "konkrete und gewichtige Tatsachen" untermauert werden, die das Vorhandensein von Altlasten nahelegen. Er muss auch nicht "konkret und naheliegend" sein. Begründet die frühere Nutzung eines Grundstücks objektiv einen Altlastenverdacht, weist dieses vielmehr einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf, ohne dass weitere Umstände hinzutreten müssen. Insbesondere bedarf es für die Annahme eines Sachmangels keiner zusätzlichen Tatsachen, die auf das Vorhandensein von Altlasten hindeuten.
Rechtsfehlerhaft ist auch die Auffassung, das arglistige Verschweigen des sich aus einem Altlastenverdacht ergebenden Sachmangels setze voraus, dass der Verkäufer aufgrund "konkreter und gewichtiger Tatsachen" einen "konkreten und naheliegenden Verdacht" hinsichtlich des tatsächlichen Vorhandenseins von Altlasten gehabt habe. Verschweigt der Verkäufer eine ihm bekannte frühere Nutzung des Grundstücks, die einen Altlastenverdacht begründet, so handelt er objektiv arglistig i.S.v. § 444 BGB. Bezogen auf den subjektiven Tatbestand der Arglist hält der Verkäufer einen Sachmangel mindestens für möglich, wenn er die frühere Nutzung des Grundstücks kannte und es zumindest für möglich hielt, dass diese einen Altlastenverdacht begründet. Auch insoweit müssen keine konkreten dem Verkäufer bekannten - Tatsachen hinzutreten, die den Altlastenverdacht erhärten.
Macht der Verkäufer, der aus der ihm bekannten früheren gefahrenträchtigen Nutzung des Grundstücks den Schluss auf einen möglichen Altlastenverdacht gezogen hat, geltend, er habe bei Vertragsschluss angenommen, der Altlastenverdacht sei ausgeräumt gewesen, muss er dies anhand objektiver Umstände plausibel machen. Für entsprechende Umstände trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast.
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