16.08.2016

Zur Aufklärungspflicht beim Zugewinnausgleich

Nehmen beide Ehegatten im Zugewinnausgleichsverfahren zunächst irrtümlich an, dass ein von ihnen auf einem Erbbaugrundstück gemeinsam errichtetes Haus in ihrem hälftigen Miteigentum steht, hat der tatsächlich allein erbbauberechtigte Ehegatte den anderen über die Tatsache seines Alleineigentums aufzuklären, wenn er während des Verfahrens von diesem Irrtum erfährt. Ein wirtschaftlich auf der unrichtigen Grundlage stehender Teilvergleich zum Zugewinnausgleich kann dann von dem anderen Ehegatten wegen arglistiger Täuschung durch Unterlassen des ihn in der mündlichen Verhandlung nicht aufklärenden erbbauberechtigte Ehegatten angefochten werden.

OLG Hamm 17.6.2016, 3 UF 47/15
Der Sachverhalt:
Die beteiligten Eheleute schlossen im Jahre 1999 die Ehe. Der heute 45 Jahre alte Ehemann war Inhaber eines Erbbaurechts an einem örtlichen Grundstück, auf dem die Ehegatten nach der Heirat gemeinsam ein Einfamilienhaus mit einem heutigen Gesamtwert von rd. 236.000 € errichteten. Im Jahre 2012 trennte sich die heute 41 Jahre alte Ehefrau vom Ehemann und zog mit den gemeinsamen drei Kindern aus dem Haus aus. In dem in der Folgezeit durchgeführten Scheidungsverbundverfahren begehrte die Ehefrau u.a. den Zugewinnausgleich.

Die insoweit angestellten Berechnungen beider Ehegatten gingen zunächst übereinstimmend davon aus, dass beide hälftige Miteigentümer des errichteten Hauses seien. Auf dieser Grundlage verständigten sich die Eheleute im Wege eines im Jahre 2014 abgeschlossenen Teilvergleichs darauf, dass der Ehemann gegen Zahlung von 15.000 € sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehefrau ausgleicht.

Nach dem Abschluss des Vergleiches erfuhr die Ehefrau, dass ihr Mann alleiniger Inhaber des Erbbaubrechts war. Dieser Umstand war dem Ehemann aus Anlass einer Überprüfung des Erbbaurechts einige Wochen vor dem Vergleichsabschluss bekannt, im Scheidungsverfahren dann aber von ihm nicht mitgeteilt worden. Nachdem der Ehefrau die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse bekannt geworden waren, focht sie den Teilvergleich an und verlangte die Fortsetzung des Zugewinnausgleichsverfahrens.

Das AG - Familiengericht - lehnte dies ab; der Teilvergleich sei als wirksam anzusehen. Auf die Beschwerde der Ehefrau ändert das OLG den Beschluss des AG ab und entschied, dass das Verfahren auf Ausgleichung des Zugewinns fortzuführen ist.

Die Gründe:
Das erstinstanzliche Verfahren auf Ausgleich des Zugewinns ist fortzuführen. Die Ehefrau hat den Teilvergleich wirksam angefochten.

Beim Vergleichsschluss wurde sie von ihrem Ehemann über ihr vermeintliches hälftiges Miteigentum an dem Haus - von dem die Eheleute zunächst über lange Zeit hinweg übereinstimmend ausgegangen waren - durch bewusst unterlassene Aufklärung arglistig getäuscht; daher ist sie zur Anfechtung berechtigt. Die ihm noch vor dem Vergleichsschluss bekannt gewordene Rechtstatsache, dass aufgrund seines alleinigen Erbbaurechts an dem Grundstück auch das Eigentum an dem hierauf gemeinsam errichteten Haus allein ihm zusteht, hat der Ehemann im vorliegenden Fall ungefragt offenbaren müssen.

In der Annahme ihres hälftigen Miteigentums am Haus hat die Ehefrau einen erheblich geringeren Zugewinnausgleichsanspruch errechnet. Die Fehlvorstellung über die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse an dem Haus - bei der es sich nicht etwa um eine den anderen Ehegatten nicht zur Aufklärung verpflichtende rein rechtlich falsche Beurteilung handelt - war für ihre Zustimmung zum Vergleich ausschlaggebend. Nachdem beide Eheleute im Verfahren über einen längeren Zeitraum und auch übereinstimmend von ihrem Miteigentum ausgegangen waren, war die Ehefrau nicht mehr gehalten, diese Tatsache vor dem Vergleichsabschluss zu überprüfen.

Demgegenüber war der Ehemann, der die Fehlvorstellung durch seinen Vortrag zunächst noch bekräftigt hat, nach Bekanntwerden der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse gehalten, diese im Verfahren ungefragt zu offenbaren. Ihm war bekannt, dass der vom hälftigen Miteigentum ausgehende Vergleichsbetrag seine Ehefrau wirtschaftlich erheblich benachteiligt und sie beim Aufdecken der Fehlvorstellung einen deutlich höheren Zugewinnausgleich fordern würde.

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OLG Hamm PM vom 16.8.2016
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