31.08.2017

Zur Aufklärungspflicht eines Notars

Der Notar muss jedenfalls den Tatsachenkern des zu beurkundenden Geschäfts aufklären. Eine disziplinarische Maßnahme kann im Einzelfall unvereinbar mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden, wenn das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauert. Zur hinreichenden Begründung der Unverhältnismäßigkeit bedarf es ei-ner sich aus den Umständen ergebenden Evidenz.

BGH 24.7.2017, NotSt(Brfg) 2/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Notar. Die Beteiligten (F. und ihre beiden Söhne) hatten ihn aufgesucht, um nach dem Tod des Ehemannes bzw. Vaters das Eigenheim zu erhalten und die Söhne aus der Schuldenhaftung herauszuhalten. Außerdem sollte das Grundbuch korrigiert werden, das nach dem Tod des Ehemannes der F. unrichtig geworden war. Der Kläger empfahl daraufhin den Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages.

Infolgedessen ermittelte die Dienstaufsichtsbehörde gegen den Kläger. Das OLG nahm an, dass der Kläger ein Dienstvergehen i.S.d. § 95 BNotO begangen hatte. Es war der Ansicht, dass er schuldhaft die ihm gem. § 17 Abs. 1 BeurkG obliegenden Amtspflichten verletzt habe, indem er ohne ausreichende Klärung des zugrunde liegenden Sachverhalts einen Erbauseinandersetzungsvertrag beurkundet habe, der den Interessen und dem Willen der Beteiligten zuwidergelaufen sei. Der BGH wies den Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Notarsenats beim OLG zuzulassen, zurück.

Die Gründe:
Der Notar muss jedenfalls den Tatsachenkern des zu beurkundenden Geschäfts aufklären. Er soll den Willen der Beteiligten erforschen, den Sachverhalt klären und die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts belehren. Gemessen daran hatte der Kläger die ihm gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG obliegenden Prüfungs- und Belehrungspflichten verletzt.

Der Kläger hatte den Beteiligten auf einer völlig ungesicherten Tatsachenbasis den Abschluss eines Erbauseinandersetzungsvertrages nahegelegt und diesen beurkundet, obwohl ein solcher Vertrag den Interessen der Beteiligten eindeutig zuwiderlief. Er bewirkte nicht die angestrebte Entlassung der Söhne aus der Haftung, sondern begründete im Gegenteil die Gefahr, dass etwaige Nachlassgläubiger Befriedigung aus deren Eigenvermögen suchen würden.

Entgegen der Auffassung des Klägers hatte das OLG auch nicht die diesem in der Disziplinarverfügung vorgeworfene Amtspflichtverletzung "zur Seite geschoben" und durch einen neuen und einem eigenständigen Fristablauf unterliegenden Verletzungstatbestand ersetzt. In dem in einer disziplinarrechtlichen Einleitungsverfügung enthaltenen Vorwurf, die Interessen der Urkundsbeteiligten nicht hinreichend ermittelt zu haben, ist nämlich der Vorwurf der unzureichenden Sachverhaltsaufklärung enthalten.

Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i.V.m. § 105 BNotO, 64 Abs. 2 S. 2 BDG - Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann - war nicht gegeben. Eine disziplinarische Maßnahme kann zwar im Einzelfall unvereinbar mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werden, wenn das Disziplinarverfahren unverhältnismäßig lange dauert. Zur hinreichenden Begründung der Unverhältnismäßigkeit bedarf es dabei einer sich aus den Umständen ergebenden Evidenz. Hieran fehlte es allerdings im vorliegenden Fall. Denn auch wenn zwischen der Einleitung des Disziplinarverfahrens und dem rechtskräftigen Abschluss in der letzten Instanz 3 ¼ Jahre verstrichen waren, kann angesichts des nicht geringfügen Vorwurfs und der Notwendigkeit, dem Verteidigungsvorbringen des Klägers im Einzelnen und sorgfältig nachzugehen, die Verhängung einer Geldbuße nicht als evident unangemessen angesehen werden.

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