07.05.2013

Zur Ausgleichszahlung für verpassten Anschlussflug

Nicht nur die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge können den in Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen. Der Anspruch setzt nicht voraus, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung genannten Zeiten verzögert hat.

BGH 7.5.2013, X ZR 127/11
Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten bei der beklagten Iberia S.A. für den 20.1.2010 eine Flugreise von Berlin-Tegel über Madrid nach San José (Costa Rica) gebucht. Der Start des Fluges von Berlin nach Madrid erfolgte mit einer Verspätung von eineinhalb Stunden, was dazu führte, dass die Kläger den Anschlussflug nach San José nicht mehr erreichten, da der Einsteigevorgang bereits beendet war, als sie an dem betreffenden Ausgang ankamen. Sie wurden erst am folgenden Tag nach San José befördert. Daraufhin verlangten die Kläger von der Beklagten Ausgleichszahlung i.H.v. jeweils 600 € nach der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004).

AG und LG wiesen die Klage aus eigenem und abgetretenem Recht ab. Auf die Revision der Kläger hob der BGH die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und gab der Klage antragsgemäß statt.

Die Gründe:
Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch gemäß der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004).

Zwar hatten die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass der Beklagten die von der Klägerin geltend gemachte Beförderungsverweigerung ("Nichtbeförderung" nach Art. 4 der Fluggastrechteverordnung*) nicht zur Last fällt, weil der Einsteigevorgang (Boarding) bereits beendet war, als die Reisenden den Ausgang erreichten. Allerdings war die Klageforderung unter dem Gesichtspunkt der großen Verspätung begründet. Denn wie der EuGH in dem Fall "Sturgeon" vom 19.11.2009 bereits entschieden und im Fall "Nelson" vom 23.10.2012 bestätigt hat, haben nicht nur, wie in Art. 5 der Verordnung bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge, sondern auch die verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen.

Nach dem EuGH-Urteil vom 23.2.2013 in der Sache "Air France/Folkerts" (in der die gleichfalls für den 7.5.2013 zur Verhandlung terminierte Revision von Air France zurückgenommen wurde) setzt dieser Anspruch nicht voraus, dass die verspätete Erreichung des Endziels darauf beruht, dass sich der Abflug des verspäteten Flugs um die in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung genannten Zeiten verzögert hat. Es genügt, dass der verspätete Abflug in Berlin dafür ursächlich war, dass die Reisenden den Anschlussflug von Madrid nach San José nicht mehr erreichen konnten und infolgedessen ihr Endziel erst mit eintägiger Verspätung erreichten.

In einem solchen Fall ist es unerheblich, ob der Anschlussflug selbst verspätet ist oder überhaupt in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Der Auffassung des beklagten Luftverkehrsunternehmens, der EuGH habe mit der Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs für einen solchen Fall seine Kompetenzen überschritten, war nicht zuzustimmen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 83 vom 7.5.2013
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