19.10.2012

Zur Auslegung des Merkmals "Aufstieg - ohne" für den Strukturausgleich der Länder

Die neue Entgeltstruktur des TV-L hat für aus dem BAT übergeleitete Angestellte teilweise Einbußen zur Folge, weshalb ein Strukturausgleich vereinbart wurde. Bei Heranziehung des Grundsatzes der objektiven Auslegung und des Gebots der Normenklarheit ist der Normbefehl des Merkmals "Aufstieg - ohne" dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich schon dann besteht, wenn die für die Vergütung des Angestellten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ maßgebliche Vergütungsgruppe keinen (weiteren) Aufstieg zuließ.

BAG 18.10.2012, 6 AZR 261/11
Der Sachverhalt:
Der 1962 geborene Kläger ist seit 1999 beim beklagten Land teilzeitbeschäftigt. Nachdem er zunächst eine Vergütung nach Vergütungsgruppe IVa BAT erhalten hatte, wurde er im Jahr 2004 im Wege des Bewährungsaufstiegs aus dieser Vergütungsgruppe in die Vergütungsgruppe III BAT höhergruppiert und zum 1.11.2006 mit der Lebensaltersstufe 41 in die Entgeltgruppe 11 TV-L übergeleitet.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage Zahlung des Strukturausgleichs i.H.v. 73,22 € brutto nach § 12 TVÜ-Länder. Dieser ist Teil der Überleitungsregelungen der Beschäftigten vom BAT in den TVöD. Beim Strukturausgleich handelt es sich um einen nicht dynamischen Betrag, der bei künftigen Tariferhöhungen unverändert bleibt und bei etwaiger Höhergruppierung verrechnet wird. Am Stichtag 1.11.2006 habe er nicht mehr im Wege des Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe aufsteigen können, so der Kläger.

Das beklagte Land war der Ansicht, der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen des § 12 TVÜ-Länder. Die Norm erfasse nur Beschäftigte, die am Stichtag noch in ihrer originären Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen seien. Erforderlich sei, dass ein Bewährungs- oder Fallgruppenaufstieg noch ausstehe.

Das ArbG wies die Klage ab; das LAG gab ihr statt. Die Revision des beklagten Landes blieb erfolglos.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Zahlung des Strukturausgleichs nach § 12 TVÜ-Länder.

Die neue Entgeltstruktur des TV-L hat für aus dem BAT übergeleitete Angestellte teilweise Einbußen bei der individuellen Entgeltentwicklung im Vergleich zu der Vergütungserwartung bei Fortbestand des BAT zur Folge (sog. Exspektanzverluste), weshalb die Tarifvertragsparteien einen Strukturausgleich vereinbarten. Dabei stellten sie nicht auf individuelle Einkommensverluste ab, sondern ermittelten die Exspektanzverluste typisierend für verschiedene Beschäftigtengruppen.

Ob und welche Angestellten Anspruch auf Strukturausgleich haben, ergibt sich aus einer Tabelle. In dieser ist in der ersten Spalte die Entgeltgruppe im TV-L, in der zweiten Spalte die "Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ" und in der dritten Spalte unter der Überschrift "Aufstieg" entweder eine höhere Vergütungsgruppe mit dem Zusatz "nach ... Jahren" oder der Begriff "ohne" angeführt. Aus den weiteren Spalten der Tabelle ergibt sich auf der Grundlage des Ortszuschlags und der Lebensaltersstufe bei Inkrafttreten des TVÜ-Länder die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer des Bezugs des Strukturausgleichs.

Ob in der dritten Spalte das Merkmal "Aufstieg - ohne" nur erfüllt ist, wenn der Angestellte zum Stichtag der Einführung des TV-L, dem 1.11.2006, ohne vorherigen Aufstieg ("originär") in einer Vergütungsgruppe eingruppiert war, aus der kein Aufstieg möglich war, oder ob es für den Anspruch auf Strukturausgleich ausreicht, wenn im Zeitpunkt der Überleitung kein (weiterer) Aufstieg des Angestellten aus seiner Vergütungsgruppe möglich war, ließ sich anhand der Auslegungskriterien Wortlaut, Sinn und Zweck, Tarifsystematik und Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit feststellen. Bei Heranziehung des Grundsatzes der objektiven Auslegung und des Gebots der Normenklarheit war der Normbefehl des Merkmals "Aufstieg - ohne" jedoch dahin zu verstehen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich schon dann besteht, wenn die für die Vergütung des Angestellten im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ maßgebliche Vergütungsgruppe keinen (weiteren) Aufstieg zuließ.

Linkhinweis:

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BAG PM Nr. 75 vom 18.10.2012