22.03.2017

Zur Auslegung eines Prozessvergleichs über die Kosten des Rechtsstreits bei bereits rechtskräftiger Kostenentscheidung für die Rechtsmittelzüge

Bei der Auslegung eines Prozessvergleichs über die "Kosten des Rechtsstreits" bei bereits vorliegender rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge sind die die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Vereinbarung zulassen. Als maßgebliche Begleitumstände kommt neben der Interessenlage der Beteiligten auch ihr späteres Verhalten in Betracht.

BGH 14.2.2017, VI ZB 24/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerinnen hatten die Beklagten wegen eines Brandschadens in Anspruch genommen. Mit Grund- und Teilschlussurteil erklärte das LG die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die von den Beklagten geführten Rechtsmittel blieben erfolglos. Die Kosten der Rechtsmittelzüge erlegte der erkennende Senat mit Urteil vom 1.10.2013 den Beklagten auf.

Auf Antrag der Klägerinnen setzte die Rechtspflegerin des LG mit Beschluss vom 27.3.2014 die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz gegen die Beklagten fest, die diese beglichen. In dem sodann vor dem LG geführten Betragsverfahren verglichen sich die Parteien am 17.2.2015. Der Vergleichstext lautet auszugsweise:

"Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 75 %."

Auf Antrag der Klägerinnen setzte die Rechtspflegerin am 26.1.2016 die Gerichtskosten der Revisionsinstanz und am 3.3.2016 die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz im vollen Umfang gegen die Beklagten festgesetzt. Der Beklagte zu 3) beglich sämtliche Kosten. Die von den Beklagten zu 19 und 29 gegen die oben genannten Beschlüsse geführten sofortigen Beschwerden wies das OLG zurück. Auch die Rechtsbeschwerde vor dem BGH blieb erfolglos.

Gründe:
Zutreffend hatte das Beschwerdegericht die Kostenentscheidung des Senats vom 1.10.2013 als Grundlage der begehrten Kostenfestsetzung herangezogen. Der Prozessvergleich der Parteien im Betragsverfahren vor dem LG vom 17.2.2015 war dagegen insoweit nicht maßgeblich. Er erstreckte sich nicht auf die bereits von der genannten rechtskräftigen Kostengrundentscheidung erfassten - gerichtlichen und außergerichtlichen - Rechtsmittelkosten.

Die Rechtsbeschwerde verkannte, dass der Wortlaut wegen der hier gegebenen rechtskräftigen Grundentscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge sowie der auf dieser Grundlage bereits erfolgten Festsetzung und Bezahlung eines Teils der Rechtsmittelkosten nicht eindeutig war und sich die Vereinbarung nach ihrem Wortlaut auch auf den nach § 308 Abs. 2 ZPO überhaupt noch zur Entscheidung stehenden Teil der Kosten des Rechtsstreits beschränken konnte. In einem zweiten Auslegungsschritt sind daher die außerhalb des Erklärungsakts liegenden Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Vereinbarung zulassen. Als maßgebliche Begleitumstände kommt neben der Interessenlage der Beteiligten auch ihr späteres Verhalten in Betracht.

Infolgedessen war vorliegenden von einem engen Verständnis der Kostenvereinbarung auszugehen. Zunächst trägt der Zweck eines Vergleichs, Streit oder Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben i.S.d. § 779 Abs. 1 BGB zu beseitigen, nicht die Annahme, von den "Kosten des Rechtsstreits" seien die möglichem Streit und möglicher Ungewissheit durch rechtskräftige Entscheidung bereits entzogenen Kosten des Rechtsmittelzuges erfasst. Im konkreten Fall war weiter zu berücksichtigen, dass die Kostengrundentscheidung des Senats vom 1.10.2013 auf der in § 97 Abs. 1 ZPO niedergelegten Entscheidung des Gesetzgebers beruhte, dass derjenige die Kosten des Rechtsmittels trägt, der es ohne Erfolg eingelegt hat.

Die Beklagten waren im Rechtsmittelzug des Grundverfahrens in vollem Umfang unterlegen. Bei einer vergleichsweisen Einigung im Betragsverfahren konnte ein objektiver Erklärungsempfänger bei vernünftiger Beurteilung der den Beklagten bekannten oder erkennbaren Umstände die von den Klägerinnen angebotene Kostenvereinbarung nicht auf die diesen bereits rechtskräftig zuerkannten Kosten des Rechtsmittelzuges beziehen, weil diese eine von zwei möglichen Auslegungen für die Erklärenden wirtschaftlich wenig Sinn machte.

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