Zur Behandlung eines endgehaltsbezogenen Versorgungsanrechts im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG
BGH 9.5.2018, XII ZB 391/17Die 1975 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) wurde 1994 geschieden und der Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht durchgeführt. Während der Ehezeit (1.8.1975 bis 31.5.1992; §§ 1587 Abs. 2 BGB a.F. bzw. § 3 Abs. 1 VersAusglG) hatten beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, darüber hinaus der Ehemann ein Anrecht aus einer betrieblichen Direktzusage der Beteiligten zu 3), sechs versicherungsförmige Anrechte aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der Beteiligten zu 2) sowie ein Anrecht bei einem luxemburgischen Versorgungsträger. Bei der Direktzusage der Beteiligten zu 3) handelt es sich um eine endgehaltsbezogene Zusage. Der Ausgleichsbetrag für dieses Anrecht wurde dadurch bestimmt, dass der Ehezeitanteil dieser Versorgung i.H.v. nominal rd. 14.000 DM jährlich unter Anwendung der seinerzeit gültigen Barwertverordnung in einen dynamischen Monatsbetrag von rd. 250 DM umgerechnet wurde.
Der Versorgungsausgleich wurde dahin geregelt, dass vom Versicherungskonto des Ehemanns bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt: Deutsche Rentenversicherung Bund) Rentenanwartschaften i.H.v. mtl. rd. 290 DM im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen wurden, bezogen auf den 31.5.1992 als Ehezeitende. Weiterhin wurden im Hinblick auf die betrieblichen Anrechte des Ehemanns Rentenanwartschaften in Höhe des seinerzeitigen Höchstbetrags von mtl. 70 DM im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auf das Versicherungskonto der Ehefrau bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen. Zusätzlich wurde der Ehemann gem. § 3 b Abs. 1 Nr. 2 VAHRG verpflichtet, Beiträge i.H.v. rd. 85.000 DM zur Begründung einer mtl. Rente von weiteren rd. 435 DM auf das Rentenkonto der Ehefrau einzuzahlen, was in der Folgezeit auch geschah.
Inzwischen beziehen beide Ehegatten Altersrente. Im März 2012 hat die Ehefrau, nachdem ihr zunächst gestellter Antrag auf Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs erfolglos geblieben war, die Durchführung eines Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG beantragt und nur noch hinsichtlich des ausländischen Anrechts die Durchführung des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs weiter verfolgt.
Das AG - Familiengericht - hat im Wege der Abänderung der Erstentscheidung zum Versorgungsausgleich die in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei den Beteiligten zu 2) und 3) begründeten Anrechte intern geteilt. Auf die Beschwerden beider Ehegatten und der Beteiligten zu 2) hat auch das OLG die Anrechte intern geteilt. In Bezug auf die bei der Beteiligten zu 2) bestehenden Anrechte hat es - wegen des laufenden Rentenbezugs - jeweils geringere Ausgleichswerte bestimmt und deren Teilung angeordnet "bezogen auf den 31.5.1992 inklusive der Wertentwicklung bis zum 30.6.2017", verbunden "mit der weiteren Maßgabe, dass für das zu begründende Anrecht der Ehefrau der Rechnungszins, der dem auszugleichenden Anrecht des Ehemanns zugrunde liegt, zur Anwendung kommt". Das bei der Beteiligten zu 3) bestehende Anrecht hat es mit einem den Rententrend außer Acht lassenden und deshalb geringeren Ausgleichswert geteilt, bezogen auf den 30.6.2017 zeitnah zu der am 4.7.2017 erlassenen Entscheidung. Hiergegen richten sich die zugelassenen Rechtsbeschwerden beider Ehegatten.
Der BGH hat den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurückverwiesen.
Die Gründe:
Die vom OLG nach § 51 Abs. 3 VersAusglG vorgenommene Abänderung ist rechtsfehlerhaft. Das OLG hat insbesondere die gebotene Prüfung unterlassen, ob das betreffende Anrecht in der Erstentscheidung bereits vollständig ausgeglichen worden und kein Restanspruch dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verblieben war, andernfalls die Sperrwirkung des § 51 Abs. 4 VersAusglG greift.
Weil die Ehefrau für das betriebliche Anrecht des Ehemanns bei der Beteiligten zu 3) noch Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gem. den §§ 20 bis 26 VersAusglG geltend machen kann und sie ursprünglich auch beantragt hat, ist eine Abänderung nach § 51 Abs. 3 VersAusglG wegen § 51 Abs. 4 VersAusglG ausgeschlossen. Die Sperrwirkung des § 51 Abs. 4 VersAusglG greift nämlich nicht nur in Fällen, in denen der Teilausgleich auf einem Überschreiten des Höchstbetrags nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 S. 2 VAHRG, § 18 SGB IV beruht. Vielmehr erfasst der Vorrang des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs nach den §§ 20 bis 26 VersAusglG gegenüber der Totalrevision nach § 51 Abs. 3 VersAusglG auch diejenigen Fälle, in denen wegen der Verfallbarkeit eines Anrechts der Höhe nach nur ein Teilausgleich durchgeführt werden konnte.
Als Fallgruppe für die Anwendung des § 20 VersAusglG werden in der Gesetzesbegründung ausdrücklich diejenigen Versorgungen genannt, bei denen sich ein Anrecht in zwei Teile spaltet, nämlich einen unverfallbaren und einen verfallbaren Bestandteil. Ein "nicht ausgeglichenes" Anrecht i.S.v. § 20 Abs. 1 S. 1 VersAusglG ist danach auch eine zum Zeitpunkt der (Ausgangs-)Entscheidung noch verfallbare Einkommensdynamik, wie es insbesondere bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen vorkommt. Der im Wertausgleich bei der Scheidung nicht ausgeglichene Bestandteil solcher Anrechte soll nach der Gesetzesbegründung jedenfalls nach § 20 Abs. 1 VersAusglG ausgeglichen werden können.
Die angefochtene Entscheidung kann deshalb keinen Bestand haben. Der Senat kann indessen nicht in der Sache abschließend entscheiden, da noch die Abänderungsvoraussetzungen nach § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG zu prüfen sind, zu denen es bisher an Feststellungen fehlt. Eine Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn ein Anrecht auf betriebliche Altersversorgung eine wesentliche Wertveränderung erfahren hat. Auch Anrechte, die unter der Geltung des alten Rechts nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich einbezogen werden konnten, sind i.S.d. § 51 Abs. 1 VersAusglG "einbezogene Anrechte" mit der Folge, dass sie bei einer Totalrevision vollständig über § 51 Abs. 1 VersAusglG ausgeglichen werden können.
Dieser Grundsatz gilt auch für solche betrieblichen Anrechte aus endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen, die - wie hier - hinsichtlich ihrer noch verfallbaren Einkommensdynamik dem öffentlich-rechtlichen Ausgleich verschlossen waren. Eine Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG kann dann auf eine i.S.d. § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentliche Wertänderung eines solchen Anrechts gestützt werden. § 51 Abs. 4 VersAusglG schränkt eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht ein. Verschließt § 51 Abs. 4 VersAusglG einen Einstieg in die Totalrevision nach § 51 Abs. 3 VersAusglG, kann die Ausgangsentscheidung gleichwohl unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VersAusglG abgeändert werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen ein endgehaltsbezogenes Versorgungsanrecht wegen seiner verfallbaren Einkommensdynamik nach altem Recht teilweise dem schuldrechtlichen Restausgleich vorbehalten war und ein i.S.v. § 51 Abs. 2 VersAusglG, § 225 Abs. 2 und 3 FamFG wesentlicher Wertzuwachs dieses Anrechts mit der nachehezeitlich eingetretenen Unverfallbarkeit seiner Einkommensdynamik einhergeht.
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