Zur Berücksichtigung des Werts des Bauwerks im Rahmen der Verkehrswertermittlung gem. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG
Im Rahmen der Verkehrswertermittlung gem. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG wird auch der Wert des Bauwerks berücksichtigt, wenn dem Grundstückseigentümer hinsichtlich seiner Dispositionsfreiheit über die weitere Grundstücksnutzung hinaus durch das Bauwerk ein tatsächlich für ihn realisierbarer Wert zufließt. Eine Entschädigung nach § 12 SchuldRAnpG kann nicht beansprucht werden, bevor das Grundstück zurückgegeben ist.
BGH 15.1.2014, XII ZR 83/13Die Klägerin verlangt von der beklagten Gemeinde eine Entschädigung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein auf deren Grundstück errichtetes Bauwerk. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin einer Gemeinde. Diese überließ in der früheren DDR im Februar 1978 dem R eine Fläche von 445 qm zur unbefristeten gärtnerischen Nutzung gegen Zahlung einer jährlichen Pacht von 17,80 Mark, ferner genehmigte sie die Aufstellung einer Gartenlaube. Im September 1989 erteilte die staatliche Bauaufsicht beim Rat der Gemeinde eine Zustimmung zur Errichtung einer massiven Gartenlaube, woraufhin R das Grundstück mit einem Bungalow, einer Toilette und einer Garage bebaute.
Im September 2002 trat R sämtliche Nutzungsrechte aus dem Pachtvertrag an die Klägerin ab und veräußerte die vorhandenen Baulichkeiten an sie. Seitdem wurde das Grundstück von der Klägerin genutzt, die fortan auch das jährliche Nutzungsentgelt an die Beklagte zahlte. Die Beklagte erhöhte das Nutzungsentgelt gegenüber der Klägerin auf Grundlage der Nutzungsentgeltverordnung und zog sie auch zu Grundbesitzabgaben heran. Die Klägerin kündigte das Nutzungsverhältnis zum 1.6.2011. Seitdem hält sie das Grundstück weiterhin in Besitz und zahlt an die Beklagte eine Nutzungsentschädigung. Die Klägerin bot die Rückgabe des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung einer Entschädigung für die vorhandenen Bauwerke i.H.v. 50.307 € an.
Das AG wies die auf Zahlung einer Entschädigung von 50.300 € nebst Zinsen gerichtete Klage ab. Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 5.300 € nebst Zinsen; die weitergehende Berufung, mit der die Klägerin eine Entschädigung i.H.v. noch weiteren 21.700 € verlangt hat, wies es zurück. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Ausführungen des LG, dass die Klägerin bei Rückgabe des Grundstücks keine weitergehende Entschädigung beanspruchen könne, wiedersprechen § 12 SchuldRAnpG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Senats. Insbes. ist die Annahme des LG unzutreffend, dass der Substanzwert des Bauwerks nicht geeignet sei, den Verkehrswert des Grundstücks i.S.d. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG zu erhöhen.
Soweit R das Grundstück zustimmungsgemäß bebaut hat, wurde Baulichkeiteneigentum nach dem Recht der DDR begründet. Dieses ging mit der Beendigung des Vertragsverhältnisses kraft Gesetzes auf die Beklagte als Grundstückseigentümerin über (§ 11 Abs. 1 SchuldRAnpG). Als Ausgleich für den Rechtsverlust hat die Beklagte der Klägerin gem. § 12 Abs. 1 SchuldRAnpG eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten. Da die Klägerin als Nutzerin den Vertrag selbst gekündigt hat, kann sie gem. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine Entschädigung (nur) verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist.
Da § 12 Abs. 1 und 3 SchuldRAnpG keine Regeln enthält, wie die Verkehrswerterhöhung festzustellen ist, kann auf die Immobilienwertermittlungsverordnung von Mai 2010 (ImmoWertV) zurückgegriffen werden. Die dabei gebotene Einbeziehung der baulichen Anlagen führt indes nicht dazu, dass der schutzwürdige Nutzer in den Fällen des § 12 Abs. 2 SchuldRAnpG regelmäßig eine geringere Entschädigung erhielte als der nicht schutzwürdige Nutzer in den Fällen des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG. Zwar trifft es zu, dass der Nutzer, der durch eigenes Verhalten Anlass zur Kündigung aus wichtigem Grund gibt, eine unter Umständen höhere Entschädigung erhalten kann, als wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte.
Erhöht nämlich wegen des bauplanungsrechtlichen Bestandsschutzes die vorhandene Bebauung den Bodenwert ausnahmsweise über den Wert der baulichen Anlage hinaus, so führt die Kündigung des Vermieters bei pflichtwidrigem Verhalten des Nutzers zu einer höheren Entschädigung als dann, wenn der Vermieter aus sonstigen Gründen kündigt und nur der Zeitwert des Bauwerks zu ersetzen ist. Dieser Widerspruch beruht aber wie der Senat bereits entschieden hat auf einer Entscheidung des Gesetzgebers, nach dessen Vorstellung die durch das Bauwerk eingetretene Erhöhung des Verkehrswerts im Regelfall geringer ist als der Wert des Gebäudes. Wie der Entwurfsbegründung zu entnehmen ist, liegt dem die Einschätzung zugrunde, dass der zu entschädigende Wertzuwachs wesentlich von der künftigen Art der Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks abhängt.
Auch kann unter Beibehaltung der bisherigen Grundstücksnutzung ein nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand befindliches Bauwerk unter Kostenbeteiligung des Nutzers abgerissen und durch ein neues ersetzt werden. In diesen Fällen fließt dem Grundstückseigentümer durch das Bauwerk kein tatsächlich für ihn realisierbarer Wert zu, so dass ein nicht fortzunutzendes Bauwerk den Verkehrswert nach den Maßstäben des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG nicht erhöht. Dadurch ist dem Verkehrswert i.S.d. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine von § 194 BauGB abweichende Bedeutung beigegeben, da diese Vorschrift allein auf den Veräußerungswert (Marktwert) abstellt. Ein möglicher Anspruch der Klägerin auf Entschädigung nach dem SchuldRAnpG hängt somit davon ab, ob das Bauwerk für die Beklagte weiter nutzbar ist.
Vorliegend ist der geltend gemachte Anspruch allerdings noch nicht entstanden, da das Grundstück noch nicht an die Beklagte zurückgegeben worden ist. Durch die von der Klägerin erklärte Kündigung wurde das Vertragsverhältnis beendet. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses war die Klägerin verpflichtet, das Grundstück an die Beklagte zurückzugeben (§ 546 Abs. 1 BGB). Solange aber das Grundstück wie hier noch nicht zurückgegeben ist, stehen die Wertermittlungsgrundlagen nicht fest und kann die Entschädigung weder errechnet noch beansprucht werden.
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