28.08.2015

Zur Bestimmung des zur Mitwirkung in einem die Personensorge betreffenden Verfahren sachlich zuständigen Jugendamts in Berlin

Der BGH hat sich mit der Bestimmung des zur Mitwirkung in einem die Personensorge betreffenden Verfahren sachlich zuständigen Jugendamts in Berlin befasst. Nach den landesrechtlichen Regelungen nehmen die Jugendämter der Bezirke die Aufgaben des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 SGB VIII wahr und die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung (Landesjugendamt) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 SGB VIII.

BGH 15.7.2015, XII ZB 30/15
Der Sachverhalt:
Der Betroffene reiste im Dezember 2013 als minderjähriger Flüchtling aus Guinea unbegleitet nach Deutschland ein. Er meldete sich in der Erstaufnahme- und Clearingstelle Berlin Steglitz-Zehlendorf und wurde dort in Obhut genommen. Die Beteiligte zu 2), die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft des Landes Berlin, hat die Anordnung einer Vormundschaft und Bestellung eines Vormunds angeregt. Das AG ordnete Vormundschaft an. Der Beschluss wurde der Senatsverwaltung am 18.2.2014 zugestellt.

Der Beteiligte zu 1), das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf, wurde durch das AG weder vom Verfahren benachrichtigt noch wurde ihm der Beschluss zugestellt. Es legte gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde ein, die am 30.5.2014 beim AG einging. Das KG verwarf die Beschwerde als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des Bezirksamts, das während des Beschwerdeverfahrens zum Vormund des Betroffenen bestellt worden ist, hob der BGH den Beschluss des KG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das KG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdefrist gem. § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG nur durch die Zustellung an das zur Mitwirkung nach § 162 FamFG berufene sachlich und örtlich zuständige Jugendamt zu laufen beginnt. Zu Unrecht hat es allerdings die Senatsverwaltung als zuständiges Jugendamt i.S.v. § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG angesehen.

Der Senatsverwaltung fehlte die sachliche Zuständigkeit für die Mitwirkung am familiengerichtlichen Verfahren. Sachlich zuständig war vielmehr das Jugendamt (Bezirksamt) als die Aufgaben der örtlichen Träger der Jugendhilfe wahrnehmende Behörde. Zu der weiteren Frage, ob das im vorliegenden Fall beschwerdeführende Bezirksamt örtlich zuständig war und ist, fehlt es an hinreichenden Feststellungen des KG. Dessen örtliche Zuständigkeit ist daher im Rechtsbeschwerdeverfahren zu unterstellen. Nach § 50 Abs. 1 S. 1 SGB VIII unterstützt das Jugendamt das Familiengericht bei allen Maßnahmen, die die Sorge für die Person von Kindern und Jugendlichen betreffen. Dazu gehört gem. § 50 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB VIII die Mitwirkung in Kindschaftssachen nach § 162 FamFG.

Nach § 85 Abs. 1 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben nach dem SGB VIII der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Örtlicher und überörtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe i.S.d. § 69 Abs. 1 SGB VIII ist nach § 33 Abs. 1 S. 1 des Berliner Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AG KJHG Berlin) entsprechend dem landesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Einheitsgemeinde das Land Berlin. Nach § 33 Abs. 1 S. 2 AG KJHG Berlin nehmen die Jugendämter der Bezirke die Aufgaben des örtlichen Trägers nach § 85 Abs. 1 SGB VIII wahr und die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung (Landesjugendamt) die Aufgaben des überörtlichen Trägers nach § 85 Abs. 2 SGB VIII. Demnach ist hier das Bezirksamt als Jugendamt nach §§ 85 SGB VIII, 33 Abs. 1 AG KJHG Berlin sachlich zuständig.

Eine davon abweichende Regelung durch Verwaltungsvorschriften entbehrt bereits der landesgesetzlichen Grundlage. Das KG stellt insoweit auf § 33 Abs. 2 AG KJHG Berlin als Grundlage der AV-JAMA ab. Dabei hat es verkannt, dass nach § 33 AG KJHG Berlin eine Regelung durch Verwaltungsvorschriften nur hinsichtlich der örtlichen (§ 33 Abs. 2 AG KJHG Berlin), nicht aber der sachlichen Zuständigkeit (§ 33 Abs. 1 AG KJHG Berlin) vorgesehen ist. Der genaue Regelungsinhalt der vom KG angeführten Regelung in Nr. 2 Abs. 1 AV-JAMA, der indessen jedenfalls nicht weiter reichen dürfte als die ausdrücklich (nur) auf § 33 Abs. 2 AG KJHG Berlin Bezug nehmenden Verwaltungsvorschriften, kann demnach offenbleiben. Die Auffassung des KG, die Senatsverwaltung ziehe die Aufgaben des örtlichen Trägers der Kinder- und Jugendhilfe während der Clearingphase an sich, findet jedenfalls in den Vorschriften der AV-JAMA nicht die erforderliche gesetzliche Grundlage.

Nach alldem ist die Beschwerdefrist durch die Zustellung an die Senatsverwaltung nicht in Gang gesetzt worden. Der angefochtene Beschluss war demnach aufzuheben. Da das KG bislang noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, welches Bezirksamt örtlich zuständig ist, war die Sache an dieses zurückzuverweisen.

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