29.11.2016

Zur Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Kindschaftssache

Will in einer Kindschaftssache ein OLG das Verfahren aus wichtigem Grund an ein anderes OLG abgeben und erklärt sich das angerufene OLG nicht zur Übernahme bereit, ist nicht der BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Vielmehr ist nach § 5 Abs. 2 FamFG das OLG zuständig, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

BGH 26.10.2016, XII ARZ 40/16
Der Sachverhalt:
Die Vorlage betrifft den Streit zwischen zwei OLG über die Möglichkeit der Abgabe eines Beschwerdeverfahrens in Kindschaftssachen. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eltern der betroffenen Kinder Dustin, Marvin, Jordan und Shakira. In der Zeit von Mitte Juli 2012 bis Ende September 2014 waren die vier Kinder in einem Jugendheim in S untergebracht. Seit Oktober 2014 leben Jordan und Shakira in einem SOS-Kinderdorf in K. Marvin befindet sich außerhalb des Kinderdorfs in K in Obhut und Dustin ist zur Zeit unbekannten Aufenthalts.

Mit Beschluss des AG - Familiengericht - Karlsruhe vom 12.9.2013 wurde den Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder in Teilbereichen entzogen. Ihren Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und ihnen das Sorgerecht für die vier Kinder wieder vollständig zu übertragen, wies das AG - Familiengericht - Offenburg mit Beschluss vom 13.8.2014 zurück. Hiergegen haben legten die Eltern Beschwerde ein, die vor dem OLG Karlsruhe anhängig war.

Da derzeit beim OLG Düsseldorf eine Beschwerde der Eltern gegen eine Entscheidung des AG - Familiengericht - Kleve in einer dieselben Kinder betreffenden Umgangsrechtssache anhängig ist, wies das OLG Karlsruhe die Beteiligten zunächst auf die Absicht hin, das Verfahren gem. § 4 FamFG an das OLG Düsseldorf abzugeben. Die Übernahme des Verfahrens wurde zunächst telefonisch durch den Vorsitzenden des 3. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf abgelehnt. Schließlich bestimmte das OLG Karlsruhe mit Beschluss vom 30.6.2016 das OLG Düsseldorf als zuständiges Gericht für das Beschwerdeverfahren und gab das Verfahren an das AG - Familiengericht - Kleve zur Vorlage und Übernahme des Beschwerdeverfahrens durch das OLG Düsseldorf ab.

Das OLG Düsseldorf legte mit Beschluss vom 1.8.2016 die Sache in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO dem BGH zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Der BGH entschied, dass die Vorlage an den BGH unzulässig ist.

Die Gründe:
Die Vorlage ist unzulässig. Eine Zuständigkeit des BGH zur Entscheidung ist weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO gegeben.

Nach § 36 Abs. 3 ZPO entscheidet der BGH, wenn ein OLG bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen OLG oder des BGH abweichen will. Eine direkte Anwendung dieser Vorschrift kommt hier jedoch nicht in Betracht. In § 5 FamFG findet sich eine spezielle Vorschrift, die die Zuständigkeit für die Bestimmung des zuständigen Gerichts regelt. § 36 Abs. 3 ZPO ist gem. § 113 Abs. 1 FamFG nur in Ehesachen (§§ 111 Nr. 1, 121 FamFG) und Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) anwendbar. Eine Zuständigkeit des BGH zur Bestimmung des zuständigen OLG lässt sich auch nicht mit einer entsprechenden Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO begründen. Hierfür fehlt es bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

Möchte ein Gericht ein Verfahren nach § 4 FamFG aus wichtigem Grund abgeben und können sich die beteiligten Gerichte nicht einigen, wird das zuständige Gericht nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG grundsätzlich durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht bestimmt. Ist das nächsthöhere gemeinsame Gericht der BGH, wird das zuständige Gericht durch das OLG bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört (§ 5 Abs. 2 FamFG). § 5 FamFG enthält für Verfahren in Familiensachen mit Ausnahme von Ehesachen und Familienstreitsachen, für die auf die ZPO verwiesen wird (vgl. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG) und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine abschließende Regelung der gerichtlichen Zuständigkeiten in Kompetenzkonflikten. Eine Bestimmungszuständigkeit des BGH sieht die Vorschrift nicht vor.

Auch eine dem § 36 Abs. 3 ZPO vergleichbare Divergenzvorlage zum BGH findet sich in § 5 FamFG nicht. § 5 Abs. 2 FamFG knüpft an die frühere Vorschrift des § 5 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 FGG an. Darin war bereits die Regelung enthalten, dass die Zuständigkeit durch das mit der Sache zuerst befasste OLG bestimmt wird, wenn der BGH das gemeinschaftliche obere Gericht ist. An dieser Entlastung des BGH von Aufgaben bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts wollte der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 5 FamFG ersichtlich festhalten. Auch der Hinweis in den Gesetzgebungsmaterialien auf § 46 Abs. 2 FGG belegt, dass der Gesetzgeber bei der Gestaltung von § 5 FamFG eine Zuständigkeit des BGH für Entscheidungen in Kompetenzkonflikten vermeiden wollte. Der Gesetzgeber wollte zur Entlastung des BGH bewusst die Entscheidung von Kompetenzkonflikten auf die Ebene der OLG verlagern. Eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine analoge Anwendung des § 36 Abs. 3 ZPO liegt daher nicht vor. Der BGH ist somit nicht zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt berufen.

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