13.04.2015

Zur Bindungswirkung bei Zuwendungsverzicht

Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt - soweit die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt - auch seine Kinder vom Erbteil aus. Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z.B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen.

OLG Hamm 28.1.2015, 15 W 503/14
Der Sachverhalt:
Die Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel. Darin setzten sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben ein. Nach dem Tode des 78-jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte.

Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus dem Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit stritten die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein. Er beantragte darum, einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist. Demgegenüber sind der Zweit- und die Drittbeteiligte der Ansicht, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten, und. Sie sind der Erteilung des Erbscheins entgegen getreten.

Das AG gab dem Antrag des Erstbeteiligten statt. Die Beschwerde des Zweit- und der Drittbeteiligten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Der Beschluss ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Der Erstbeteiligte ist der Alleinerbe seiner Mutter geworden.

Der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester sind durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 hat die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie ist deswegen als Erbin weggefallen. Ihre Kinder sind nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstreckt sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung ist im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit ist der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthält auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Die Erblasserin war nach dem Tod ihres Ehemanns gehindert, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem steht das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend ist. Seine Bindungswirkung erfasst den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall ist mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheidet, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlangt. Auch in diesem Fall wächst sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar ist die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie hat aber - vergleichbar mit einem solchen Verlangen - ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten hat.

Linkhinweis:

OLG Hamm PM vom 10.4.2015
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