30.07.2019

Zur Blendwirkung von Dachpfannen

Die Frage, wie wesentlich sich eine von Dachpfannen ausgehende Blendwirkung darstellt, ist nicht schematisch, sondern nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Dazu ist im Regelfall die Durchführung eines Ortstermins erforderlich.

OLG Hamm v. 9.7.2019 - 24 U 27/18
Der Sachverhalt:
Kläger und Beklagter sind Eigentümer bebauter Nachbargrundstücke. Der Beklagte ließ das Dach seines Hauses mit hochglänzend glasierten Dachpfannen eindecken. Später tauschte er einen Großteil dieser Dachpfannen durch matt glasierte - sog. engobierte - Ziegel aus.

Nach Angaben des Klägers kam es zu bestimmten Uhrzeiten und bei Vollmond zu Reflektionen sowohl durch die hochglänzend als auch die matt glasierten Dachziegel. Dies blende ihn stark und schränke ihn in seiner Nutzung des Gartens sowie des Wohn- und Esszimmers zu diesen Zeiten ein, da er nur mit gesenktem Kopf nicht geblendet werden würde. Er verlangte daher vom Beklagten die Blendwirkungen zu verhindern.

Das LG gab der Klage teilweise bezüglich der glänzenden Dachpfannen statt. Die Berufung des Klägers, durch die er sein vollständiges Klagebegehren auch bezüglich der engobierten Ziegel verlangte, blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten nur bezüglich der Reflektionen der glänzenden Dachpfannen, jedoch nicht auf Verhinderung der Reflektionen durch die engobierten Ziegel zu.

Wie ein Sachverständigengutachten festgestellt hat, geht zwar von diesen Ziegeln auch eine Lichtreflektion aus, die das Grundeigentum des Klägers beeinträchtigt. Der Kläger hat die Nutzung der engobierten Dachpfannen jedoch gem. § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, weil es sich um unwesentliche Beeinträchtigungen i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB handelt. Verbindliche Richtwerte, bei deren Überschreitung eine wesentliche Beeinträchtigung indiziert wäre, gibt es, soweit ersichtlich, nicht. Maßgeblich für die Beurteilung der Wesentlichkeit ist das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, wobei auf die konkreten Umstände des Einzelfalls wie die Dauer der Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Nutzung des betroffenen Grundstücks abzustellen ist.

Es kann nicht schematisch von einer Erheblichkeit ab einer Lichtstärke von 100.000 Candela pro Quadratmeter ausgegangen werden, wie sie in vereinzelten landesrechtlichen Regelwerken zu der zulässigen Lichtstärke von Photovoltaikanlagen festgelegt ist, wenngleich bei deren Erreichen regelmäßig eine Wesentlichkeit vorliegen dürfte. Candela pro Quadratmeter (cd/qm) ist die Einheit, in der die Leuchtdichte gemessen wird. Die Leuchtdichte ist das, was umgangssprachlich als Helligkeit einer leuchtenden Fläche bezeichnet wird. Ein mittlerer klarer Himmel hat eine Leuchtdichte von etwa 8.000 cd/qm.
OLG Hamm PM vom 25.7.2019