Zur Entschädigungspflicht nach dem SchuldRAnpG
BGH 24.6.2015, XII ZR 72/14Der Kläger verlangt von der beklagten Baugenossenschaft eine Entschädigung nach dem Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG) für ein auf deren Grundstück errichtetes Bauwerk. Der Kläger erwarb im Juni 1990 eine Garage auf dem Grundstück der Beklagten. Im September 1990 schlossen die Parteien einen Pachtvertrag auf unbestimmte Zeit gegen ein jährliches Pachtgeld von 50 DM. Mit Schreiben vom 22.11.2006 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag zum 28.2.2007.
In der Kündigungserklärung gab sie an, dass beabsichtigt sei, "das Grundstück über einen Zeitraum von ca. drei Jahren als Parkplatz/Garagenfläche und anschließend mit einer erneuten Wohnbebauung zu nutzen". Dem Kläger bot sie eine Fortnutzung der Garage über den 28.2.2007 hinaus gegen Zahlung einer Miete von 50 € mtl. unter Verzicht auf das ordentliche Kündigungsrecht des Vermieters bis zum frühesten Beendigungstermin 31.3.2010 an. Der Kläger ging nicht auf das Angebot ein, sondern gab die Garage an die Beklagte zurück, die sie sodann anderweitig vermietete.
Das AG wies die auf Zahlung einer Entschädigung von 3.500 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab. Das LG gab der Klage ganz überwiegend statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 3.400 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Garage wurde vom Rechtsvorgänger des Klägers unter Begründung von Baulichkeiteneigentum nach dem Recht der früheren DDR auf dem Grundstück der Beklagten errichtet. Dadurch wurde zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Nutzungsverhältnis nach den §§ 312 ff. ZGB-DDR begründet. Auf dieses Nutzungsverhältnis sind gem. § 6 Abs. 1 SchuldRAnpG die Bestimmungen des BGB über den Miet- oder den Pachtvertrag anzuwenden, soweit das SchuldRAnpG nichts anderes bestimmt. Mit der auf Kündigung beruhenden Beendigung des Vertragsverhältnisses ging das Baulichkeiteneigentum kraft Gesetzes auf die Beklagte als Grundstückseigentümerin über (§ 11 Abs. 1 SchuldRAnpG). Als Ausgleich für den Rechtsverlust hat die Beklagte dem Kläger gem. § 12 Abs. 1 SchuldRAnpG eine Entschädigung für das Bauwerk zu leisten.
Da die Beklagte als Grundstückseigentümerin den Vertrag mit Wirkung für einen Zeitpunkt gekündigt hat, zu dem die Kündigungsschutzfrist (§ 23 Abs. 6 S. 1 SchuldRAnpG) bereits mindestens sieben Jahre verstrichen war, kann der Kläger gem. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine Entschädigung nur verlangen, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht ist. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung nach dem SchuldRAnpG hängt also davon ab, ob das Bauwerk für die Beklagte weiter nutzbar ist. Der gesetzlichen Regelung liegt die Einschätzung zugrunde, dass der zu entschädigende Wertzuwachs wesentlich von der künftigen Art der Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks abhängt. Dem Grundstückseigentümer ist aus entschädigungsrechtlicher Sicht eine weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt, die Nutzung des zurückgegebenen Grundstücks zu ändern, um das Grundstück einer angemessenen wirtschaftlichen Verwendung zuzuführen.
Auch kann unter Beibehaltung der bisherigen Grundstücksnutzung ein nicht mehr in ordnungsgemäßem Zustand befindliches Bauwerk unter Kostenbeteiligung des Nutzers abgerissen (vgl. § 15 SchuldRAnpG) und durch ein neues ersetzt werden. In diesen Fällen fließt dem Grundstückseigentümer durch das Bauwerk kein tatsächlich für ihn realisierbarer Wert zu, so dass ein nicht fortzunutzendes Bauwerk den Verkehrswert nach den Maßstäben des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG nicht erhöht. Durch die Einbeziehung der Dispositionsfreiheit des Grundstückseigentümers in Bezug auf die weitere Nutzung des Grundstücks ist dem Verkehrswert i.S.d. § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine von § 194 BauGB abweichende Bedeutung beigegeben, da jene Vorschrift allein auf den Veräußerungswert (Marktwert) ohne Rücksicht auf künftige Nutzungsabsichten durch den bisherigen Grundstückseigentümer abstellt.
Vorliegend hat die Beklagte ihr Kündigungsschreiben mit dem Angebot auf Abschluss eines frühestens nach drei Jahren durch sie kündbaren Mietvertrags verbunden. Nachdem der Kläger das Angebot abgelehnt hatte, vermietete die Beklagte die Garage anderweitig. Damit hat sie sich das Bauwerk zu Ertragszwecken nutzbar gemacht und schuldet demzufolge eine Entschädigung, soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bau-werk im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht war. Dass die Beklagte sich vorbehielt, das Grundstück nach einiger Zeit einer anderen Nutzung zuzuführen, ändert an ihrem im Moment der Rücknahme bestehenden Fortnutzungswillen für Vermietungszwecke nichts.
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