Zur entsprechenden Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten
BGH 12.12.2014, V ZR 36/14Der Beklagte ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich eine Werkstatthalle befindet. Mit notarieller Urkunde aus Juni 1988 hatte eine Rechtsvorgängerin des Beklagten zu Gunsten der Kläger eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt, nach der diese berechtigt sein sollten, die Halle als Abstellfläche und Werkstatt für private Zwecke zu nutzen. In derselben Urkunde hatte sie eine weitere beschränkte persönliche Dienstbarkeit bewilligt, der zufolge die Kläger befugt sein sollten, "auf einem vier Meter breiten Streifen entlang der Grundstücksgrenze zu gehen und zu fahren, um von so von der Straße zur Halle zu gelangen und zurück". Die Dienstbarkeiten waren im Grundbuch eingetragen.
Von der Straße führt über das Grundstück ein vier Meter breiter befestigter Weg zur Halle, der überwiegend in einer Entfernung von mehr als vier Metern zur Grenze zum Nachbargrundstück verläuft. Dieser Weg wurde von den Klägern seit jeher im Einvernehmen mit dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks genutzt, um zur Halle zu gelangen. Ein Zugang von der Straße zur Halle auf einem vier Meter breiten Streifen unmittelbar entlang der Grundstücksgrenze wäre nur nach Entfernung einer Mauer, von Bäumen und Rabatten sowie unter Versetzung des Hallentors möglich.
Die Kläger begehrten mit ihrer Klage die Feststellung, dass sie eine dem tatsächlich vorhandenen Weg entsprechende Fläche als Zuweg und Zufahrt zur Halle zu nutzen berechtigt sind. Der Beklagte nahm die Kläger widerklagend auf Unterlassung dieser Nutzung in Anspruch. Das AG gab der Klage statt und wies die Widerklage ab. Das LG entschied umgekehrt. Die Revision der Kläger blieb vor dem BGH erfolglos.
Gründe:
Dem Beklagten steht ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu, da die Benutzung des auf seinem Grundstück gelegenen Weges sein Eigentumsrecht beeinträchtigt und weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Ein eigenes Recht der Kläger zur Nutzung des Weges, das den Beklagten zur Duldung der Eigentumsbeeinträchtigung gem. § 1004 Abs. 2 BGB verpflichtet, besteht nicht.
Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Verlegung der Ausübung der zu ihren Gunsten im Grundbuch eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit auf den Teil des Grundstücks, auf dem sich derzeit der Zuweg für die Halle befindet. Sie haben an der Stelle des tatsächlich vorhandenen Weges kein Nutzungsrecht. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Kläger einen Anspruch auf Verlegung der Ausübungsstelle der Dienstbarkeit auf eine andere, von der im Grundbuch eingetragenen abweichenden Stelle haben. Das Gesetz sieht in § 1023 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch des Eigentümers auf Verlegung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle vor, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist. Diese Regelung gilt gem. § 1090 Abs. 2 BGB auch für den Eigentümer eines Grundstücks, das - wie hier - mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet ist. Ob auch dem Dienstbarkeitsberechtigten in entsprechender Anwendung von § 1023 Abs. 1, § 1090 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit auf eine andere Stelle des belasteten Grundstücks zustehen kann, ist umstritten.
Richtigerweise scheidet eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten aus, wenn die Ausübungsstelle - wie hier - rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht wurde. Die Ausübung einer Dienstbarkeit, die auf dem gesamten dienenden Grundstück lastet, kann auf den realen Teil des Grundstücks beschränkt werden. Dabei steht es grundsätzlich im Belieben der Beteiligten, ob sie die Bestimmung des Ausübungsorts der tatsächlichen Ausübung überlassen oder rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit machen. Im zuletzt genannten Fall ist die Vereinbarung als Inhaltsbestimmung in das Grundbuch einzutragen. Eine Verlegung der Ausübungsstelle erfordert dann eine dingliche Einigung über die Änderung des Inhalts der Dienstbarkeit und deren Eintragung in das Grundbuch.
§ 1023 BGB, bei dem es sich um einen besonderen Anwendungsfall der Schonpflicht aus § 1020 BGB handelt, sieht einen Verlegungsanspruch auch für den Fall vor, dass die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich bestimmt und damit Inhalt der Dienstbarkeit wurde. Er legt dem Dienstbarkeitsberechtigten also nicht nur eine Änderung des tatsächlichen Verhaltens auf dem dienenden Grundstück auf, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit an der bisherigen Stelle für den Eigentümer besonderes beschwerlich ist, sondern kann auch seine Verpflichtung begründen, an einer Inhaltsänderung der Dienstbarkeit mitzuwirken. Eine Grundlage, auch den Dienstbarkeitsverpflichteten in bestimmten Fällen zu einer Inhaltsänderung des Rechts zu zwingen, bietet § 1023 BGB indessen nicht. Es fehlt bereits an der für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift notwendigen planungswidrigen Regelungslücke.
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