18.08.2011

Zur Entziehung von Wohnungseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Hinsichtlich der Entziehung von Wohnungseigentum in einer Wohnungseigentümergemeinschaft muss im Rahmen der Anfechtungsklage geprüft werden, ob eine Abmahnung vorliegt bzw. ob die genannten Gründe für den Entziehungsbeschluss so gewichtig sind, dass sie ausnahmsweise entbehrlich ist. Ob die zugrunde gelegten Vorwürfe dagegen inhaltlich zutreffen und ob nach der Abmahnung erneut gegen Pflichten verstoßen wurde, ist ausschließlich Gegenstand der Entziehungsklage.

BGH 8.7.2011, V ZR 2/11
Der Sachverhalt:
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Im September 2007 beschlossen die Beklagten die Entziehung des Wohnungseigentums der Kläger. Der Beschluss wurde allerdings für ungültig erklärt, weil zuvor die Nichtöffentlichkeit nicht gewahrt war. In der Wohnungseigentümerversammlung im April 2008, die in dem nur teilweise abgetrennten Teil einer Gaststätte stattfand, beschlossen die Beklagten erneut, dass die Kläger ihre Wohnung zwangsveräußern müssen.

Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage wiesen AG und LG ab. Das Berufungsgericht sah den Entziehungsbeschluss als wirksam an, weil im Rahmen der Anfechtungsklage nur dessen formelle, nicht aber die materiellen Voraussetzungen zu prüfen seien. Letztere seien Gegenstände des Verfahrens über die Entziehungsklage. Das gelte auch für das Erfordernis der vorangegangenen Abmahnung. Andernfalls müssten materielle Prüfungspunkte des Entziehungsverfahrens wie etwa die Frage, ob die Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sei, doppelt geprüft werden.

Auf die Revision der Kläger hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Die materiellen Voraussetzungen der Entziehung sind schon deshalb nicht Gegenstand der Anfechtungsklage, weil Inhalt des Beschlusses nur die Frage ist, ob die Veräußerung verlangt werden soll. Über die Berechtigung eines solchen Verlangens entscheiden nicht die Wohnungseigentümer, sondern das Gericht. Dagegen müssen die formalen Voraussetzungen für das Veräußerungsverlangen bei der Beschlussfassung vorliegen.

Das Erfordernis der vorangehenden Abmahnung hat das Berufungsgericht hingegen als materiellen Grund mit der Folge verstanden, dass eine Prüfung nur im Rahmen der Entziehungsklage zu erfolgen hat. Dagegen differenziert die überwiegende Ansicht und sieht die Frage, ob eine Abmahnung erfolgt ist, als formelle Voraussetzung des Entziehungsbeschlusses und damit als Gegenstand der Anfechtungsklage an, während die inhaltliche Richtigkeit der in der Abmahnung aufgeführten Gründe erst im Rahmen der Entziehungsklage zu prüfen ist. Der Senat teilt hierbei die zuletzt genannte Ansicht.

Im Ergebnis muss im Rahmen der Anfechtungsklage geprüft werden, ob eine Abmahnung vorliegt bzw. ob die genannten Gründe für den Entziehungsbeschluss so gewichtig sind, dass sie ausnahmsweise entbehrlich ist. Auch muss die Abmahnung hinreichend bestimmt sein und ein Verhalten aufzeigen, das als solches einen Entziehungsbeschluss rechtfertigen kann. Ob die zugrunde gelegten Vorwürfe dagegen inhaltlich zutreffen und ob nach der Abmahnung erneut gegen Pflichten verstoßen wurde, ist ausschließlich Gegenstand der Entziehungsklage.

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