03.05.2011

Zur Fristenkontrolle bei zwei maßgeblichen Fristenkalendern im Büro des Anwalts

Werden im Büro eines Anwalts zwei Fristenkalender geführt, die für die Fristenkontrolle maßgeblich sind, so darf ein Erledigungsvermerk in die Handakte erst dann aufgenommen werden, wenn die Fristen in beiden Kalendern eingetragen sind. Das ist durch entsprechende organisatorische Anweisungen des Anwalts sicher zu stellen.

BGH 10.3.2011, VII ZB 37/10
Der Sachverhalt:
Die Parteien machen gegenseitige Ansprüche aus einer Kfz-Reparatur geltend. Die Klägerin verlangt Reparaturkosten; der Beklagte verlangt widerklagend u.a. Sachverständigenkosten. Das LG gab der Klage i.H.v. 2.133 €, der Widerklage i.H.v. 867 € statt und wies Klage und Widerklage im Übrigen ab. Gegen das am 3.3.2009 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellte Urteil legte dieser am 20.3.2009 Berufung ein. Seinem Antrag vom 30.4.2009 auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (Fristablauf: Montag, 4.5.2009) um einen weiteren Monat gab der Vorsitzende statt. Dies wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 11.5.2009 mitgeteilt.

Am 26.6.2009 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und begründete die Berufung. Es sei versäumt worden, die Berufung innerhalb der Frist zu begründen. Hierzu hat er u.a. vorgetragen und glaubhaft gemacht: In der Kanzlei würde ein Fristenkalender in elektronischer Form und einer in Papierform geführt. Eine langjährige gut ausgebildete Fachangestellte habe die am 29.5.2009 ablaufende Frist nach der bewilligten Verlängerung im Kalender in Papierform mit zwei Vorfristen (15.5.2009 und 22.5.2009) notiert. Die beiden Vorfristen seien von ihr auch im EDV-System eingetragen worden. Bedauerlicherweise habe sie es versäumt, die Frist vom 29.5.2009 in den elektronischen Kalender einzutragen.

Die Kanzlei sei so organisiert, dass anhand des elektronischen Kalenders regelmäßig Ausdrucke der Fristen vorgenommen würden. Diese würden dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt regelmäßig an einem Freitag der Woche für die kommende Woche vorgelegt. Dies sei auch hier so geschehen. Es sei irrtümlich nur eine Kontrolle des elektronischen Kalenders, nicht aber anhand der handschriftlichen Eintragungen vorgenommen worden. Erst kurz vor dem 26.6.2009 sei die Fristversäumung zufällig festgestellt worden. Der Unterzeichner habe auch die Vorfrist in dieser Sache ordnungsgemäß kontrolliert, leider nicht aber den endgültigen Fristablauf, der bekanntlich nicht im EDV-System eingetragen gewesen sei. Fristablauf und Vorfristen würden in den Handakten notiert, und die Handakten anlässlich der Vorfristen vorgelegt. Grundsätzlich würden zwei Vorfristen notiert, jeweils in den Handakten und auch im Kalender. Zu-ständig für die Fristüberwachung sei der sachbearbeitende Rechtsanwalt.

Das LG lehnte den Antrag auf Widereinsetzung in den vorigen Stand wegen erheblicher Zweifel an einer ordnungsgemäßen Kanzleiorganisation ab. Die Rechtsbeschwerde des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das LG hat die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht versagt, weil nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen ein dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist. Der Beklagte hat eine den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Organisation des Fristenwesens genügende Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten nicht dargetan.

Überlässt der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erforderlichen Vorkehrungen im Rahmen der Fristenkontrolle gehört insbes., dass die Rechtsmittelfristen in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende Erledigungsvermerke oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den Fristenkalender eingetragen worden sind.

Wird dem Rechtsanwalt die Sache im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung zur Bearbeitung vorgelegt, hat er die Einhaltung seiner Anweisungen zur Berechnung und Notierung laufender Rechtsmittelfristen einschließlich deren Eintragung in den Fristenkalender eigenverantwortlich zu prüfen. Dabei darf er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in der Handakte beschränken. Soweit die Rechtsprechung Erledigungsvermerke des Büropersonals zu den jeweils in den Handakten eingetragenen Fristen fordert, soll sichergestellt werden, dass die Fristen tatsächlich eingetragen sind und dem Anwalt eine entsprechende Kontrolle anhand der Handakten möglich ist.

Werden im Büro eines Anwalts zwei Fristenkalender geführt, die für die Fristenkontrolle maßgeblich sind, so darf ein Erledigungsvermerk in die Handakte erst dann aufgenommen werden, wenn die Fristen in beiden Kalendern eingetragen sind. Das ist durch entsprechende organisatorische Anweisungen des Anwalts sicher zu stellen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass der Erledigungsvermerk in der Handakte bereits nach der Eintragung in einen Kalender angebracht wird und die Gegenkontrolle des Anwalts versagt, weil er nicht beurteilen kann, ob die Fristen in beiden Kalendern notiert sind.

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