03.05.2016

Zur Fristversäumnis bei Poststreik

Wird die Post bestreikt und wählt ein Prozessbevollmächtigter für die Beförderung eines fristgebundenen Schriftstücks gleichwohl den Postweg, treffen ihn gesteigerte Sorgfaltsanforderungen. Er kann aber bei einem auf bestimmte Gebiete des Dienstleistungsbereichs der Deutschen Post AG beschränkten Poststreik auf die Einhaltung der für den Normalfall geltenden Postlaufzeiten vertrauen, wenn er von der Deutschen Post AG die Auskunft erhält, dass für den geplanten Sendungsverlauf streikbedingte Beeinträchtigungen nicht bekannt sind und die Postbeförderung normal läuft.

BGH 18.2.2016, V ZB 126/15
Der Sachverhalt:
Eine Klage des Klägers war vom AG abgewiesen worden. Das Urteil wurde ihm am 28.4.2015 zugestellt. Seine Berufungsschrift samt Begründung ging beim LG am 29.5.2015 ein. Nach dem Hinweis, dass die Berufung verspätet eingelegt worden sei, hat der Kläger am 10.6.2015 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Dazu führte er aus, sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift am 22.5.2015 (Freitag vor Pfingsten) gegen 18.00 Uhr in einen Briefkasten geworfen. Auf diesem sei vermerkt gewesen, dass er am darauffolgenden Samstag geleert werde.

Der Kläger war der Ansicht, sein Prozessbevollmächtigter habe trotz des damaligen Poststreiks davon ausgehen können, dass die Sendung den Empfänger fristgerecht erreiche. Schließlich habe er nach Einwerfen der Berufungsschrift in den Briefkasten bei dem von der Deutschen Post im Internet zur Verfügung gestellten Informationsdienst zum Streik nachgefragt, ob es bei der Postbeförderung am Versand- und Empfangsort zu Beeinträchtigungen komme. Dies sei verneint worden.

Das LG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Berufung als unzulässig. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers hob der BGH den Beschluss des LG auf und gewährte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.

Die Gründe:
Der Kläger war ohne sein Verschulden verhindert, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten. Insbesondere ließ sich ein ihm gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nicht begründen.

Nach ständiger Rechtsprechung der Obersten Gerichtshöfe dürfen dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder der Briefzustellung durch die Deutsche Post AG nicht als Verschulden angerechnet werden. Anders liegt es nur dann, wenn dem Postkunden besondere Umstände bekannt sind, die zu einer Verlängerung der normalen Postlaufzeiten führen können, wie etwa ein Poststreik. Wird die Post bestreikt und wählt ein Prozessbevollmächtigter für die Beförderung eines fristgebundenen Schriftstücks gleichwohl den Postweg, obwohl sichere Übermittlungswege (Einwurf in den Gerichtsbriefkasten am Ort; Benutzung eines Telefaxgeräts) zumutbar sind, treffen ihn gesteigerte Sorgfaltsanforderungen.

Ist der Poststreik allerdings auf bestimmte Gebiete des Dienstleistungsbereichs der Deutschen Post AG beschränkt, kann ein Prozessbevollmächtigter seinen gesteigerten Sorgfaltspflichten auch dadurch nachkommen, dass er eine von der Deutschen Post AG zur Verfügung gestellte Auskunftsmöglichkeit nutzt, aus der sich ergibt, ob der für seine Sendung vorgesehene konkrete Sendungsverlauf von dem Streik betroffen ist. Erhält er auf eine solche Nachfrage die Auskunft, dass für den geplanten Sendungsverlauf der Postsendung streikbedingte Beeinträchtigungen nicht bekannt sind und die Postbeförderung von dem Versand- zum Empfangsort normal läuft, kann er auch während eines Poststreiks auf die Einhaltung der für den Normalfall geltenden Postlaufzeiten vertrauen. Der Prozessbevollmächtige ist dann nicht verpflichtet, bei Gericht nach dem Eingang des Schriftsatzes zu fragen.

Nach diesen Grundsätzen hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die ihm für die Versendung der Berufungsschrift während des Poststreiks 2015 obliegenden gesteigerten Sorgfaltspflichten erfüllt. Die Vorausset-zungen für die beantragte Wiedereinsetzung lagen vor.

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