19.05.2015

Zur Fristwahrung und Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs in notariellen Disziplinarsachen

Für den BGH ist der elektronische Rechtsverkehr in notariellen Disziplinarsachen und verwaltungsrechtlichen Notarsachen nicht eröffnet (s. Anlage zu § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim BGH und Bundespatentgericht vom 24.8.2007, zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10.10.2013).

BGH 16.3.2015, NotSt (Brfg) 7/14
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist seit 1980 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 1986 als Notar als bestellt. Gegen ihn ergingen 1993, 1997, 2003 und 2007 bestandskräftig gewordene Disziplinarverfügungen, durch die vier Verweise erteilt wurden, davon drei zusammen mit Geldbußen von jeweils 3.000 DM bzw. 1.500 €. Ferner sprach der Präsident des LG im Jahr 2001 eine Missbilligung aus.

Der Präsident des OLG verhängte gegen den Kläger mit der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Disziplinarverfügung vom 13.12.2012 eine Geldbuße von 25.000 €. Der Kläger habe eine Vielzahl von schwerwiegenden Verstößen gegen seine, den Kernbereich notarieller Tätigkeit betreffenden Amtspflichten begangen, so dass nur die Verhängung einer empfindlichen Geldbuße in Betracht komme. Bei deren Bemessung sei auch zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Disziplinarmaßnahmen belegt worden sei und die verhängten Geldbußen offensichtlich noch nicht ausreichend gewesen seien, ihn zu pflichtgemäßem Verhalten anzuhalten.

Gegen diese Disziplinarverfügung hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Das OLG hat daraufhin die festgesetzte Geldbuße auf 20.000 € reduziert und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger am 8.7.2014 zugestellt. Der Kläger beantragte, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen und begründete seinen Zulassungsantrag erstmals mit Schriftsatz vom 7.9.2014. Das Fax war allerdings unvollständig. So waren von 28 Seiten nur die ersten 15 vollständig enthalten; Seite 16 war unvollständig und die übrigen, insbesondere die letzte mit der Unterschrift, hatten sogar gefehlt. Der BGH lehnte den Antrag infolgedessen ab.

Gründe:
Der Kläger hatte die Begründungsfrist nicht eingehalten. Der Schriftsatz ging entgegen § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 S. 2 BDG, §§ 105, 109 BNotO nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils beim BGH ein. Die Frist lief gem. § 188 Abs. 2 BGB i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 3 BDG, § 96 Abs. 1 S. 1 BNotO am 8.9.2014 ab.

Das am 7.9.2014 beim BGH eingegangene Telefax mit dem Begründungsschriftsatz war unvollständig. Auch die über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Bundesgerichtshofs ebenfalls am 7.9.2014 übersandte Nachricht konnte die Frist zur Begründung des Zulassungsantrags nicht wahren. Für den BGH ist nämlich der elektronische Rechtsverkehr in notariellen Disziplinarsachen und verwaltungsrechtlichen Notarsachen nicht eröffnet (s. Anlage zu § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim BGH und Bundespatentgericht vom 24.8.2007, zuletzt geändert durch Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10.10.2013).

Dem Kläger war auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Schließlich hatte er nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags verhindert war. So hatte er nicht positiv vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass die Ursache für die Unvollständigkeit der Telefaxsendung nicht in seiner Sphäre lag oder für ihn nicht erkennbar war. Für einen Fehler im Verantwortungsbereich des Gerichts gab es auch keinen Anhaltspunkt. Seinen Rechtsirrtum, der elektronische Rechtsverkehr zum BGH sei in notariellen Disziplinarsachen eröffnet, hätte er als Rechtskundiger vermeiden können, indem er sich über die einschlägigen Vorschriften vergewisserte.

Entgegen der Ansicht des Klägers war ihm auch nicht deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil die Rechtspflegerin ihn nicht bereits am Montag, dem 8.9.2014, dem letzten Tag der Begründungsfrist, auf die Unvollständigkeit des Telefaxes, den Umstand, dass die elektronische Nachricht den Schriftsatz selbst nicht enthielt, und auf die fehlende Zulassung des elektronischen Rechtsverkehrs für die vorliegende Verfahrensart hingewiesen hatte, sondern ihn "erst" mit Schreiben vom Folgetag über die ersten beiden Gesichtspunkte unterrichtete. Das Gericht war nicht verpflichtet, am letzten Tag der Begründungsfrist zu prüfen, ob die Begründungsschrift ordnungsgemäß eingegangen war, um erforderlichenfalls sofort durch entsprechende Hinweise auf die Behebung der Mängel hinzuwirken. Denn im Interesse der Funktionsfähigkeit der Justiz sind der gerichtlichen Fürsorgepflicht enge Grenzen gesetzt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BGH online