22.10.2014

Zur Haftung des Futtermittelverkäufers für dioxinverdächtiges Tierfutter

Zwar haftet der Verkäufer für Schäden, die dem Futtermittelkäufer infolge einer tatsächlichen Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration im Futtermittel entstanden sind, gem. § 280 Abs. 1 BGB, § 24 LFGB (a.F.) verschuldensunabhängig. Diese verschuldensunabhängige Haftung greift jedoch im Fall eines bloßen Verdachts auf eine unzulässige Verunreinigung nicht ein, weil es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt.

BGH 22.10.2014, VIII ZR 195/13
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Futtermittelherstellerin und hatte den Beklagten im November 2010 mit Futtermitteln für seine Legehennenanlage beliefert. Bei einer Untersuchung anderer im selben Zeitraum hergestellter Futtermittel stellte die Klägerin eine Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration fest, die sich auf eine Verunreinigung von zugekauften und von ihr verarbeiteten Fetten zurückführen ließ. Als das Ergebnis der Untersuchung Ende Dezember 2010 vorlag, hatte der Beklagte das gelieferte Futter bereits verfüttert.

Über den Jahreswechsel 2010/2011 wurden zwei Ställe des Beklagten vom zuständigen Landrat gesperrt. Die Klägerin erstattete dem Beklagten daraufhin zwar den Schaden, der durch die Entsorgung der während der Handelssperre produzierten Eier entstanden war, nicht jedoch Umsatzeinbußen i.H.v. rund 43.438 €. Dazu war es gekommen, weil auch nach Aufhebung der Handelssperre produzierte Eier nicht oder nur zu einem geringeren Preis vermarktet werden konnten.

Die Klägerin verlangte vom Beklagten für andere - mangelfreie - Futtermittellieferungen Zahlung i.H.v. 20.067 €. Der Beklagte hielt dagegen, dass die Kaufpreisforderung durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen der Umsatzeinbußen erloschen sei, und machte den weitergehenden Betrag im Wege der Widerklage geltend.

LG und OLG wiesen die Klage ab und verurteilten die Klägerin auf die Widerklage hin zur Zahlung von 23.370 €. Beide Instanzen waren der Ansicht, dass ein Futtermittelverkäufer schon dann - ohne Rücksicht auf ein Verschulden - für einen Schaden des Käufers einzustehen habe, wenn der auf konkrete Tatsachen gestützte Verdacht einer Verunreinigung bestehe. Auf die zugelassene Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Zwar haftet der Verkäufer für Schäden, die dem Futtermittelkäufer infolge einer tatsächlichen Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration im Futtermittel entstanden sind, gem. § 280 Abs. 1 BGB, § 24 LFGB (a.F.) verschuldensunabhängig. Eine solche Haftung verwirklicht insofern das Ziel des Gesetzgebers, die Rechte eines Futtermittelkäufers gegenüber der verschuldensabhängigen kaufrechtlichen Sachmängelhaftung zu stärken, um unzulässige Belastungen von Futtermitteln als erstes Glied der Lebensmittelkette schon auf der ersten Produktionsstufe zu vermeiden und Futtermittelunternehmer auf diese Weise zu veranlassen, auch die Qualität ihrer rückwärtigen Lieferkette zu sichern. Die verschuldensunabhängige Haftung verletzt den Veräußerer des Futtermittels weder in seiner Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG noch verstößt sie gegen das allgemeine Gleichheitsgebot gem. Art. 3 Abs. 1 GG.

Eine tatsächliche Belastung des im vorliegenden Fall gelieferten Futtermittels mit Dioxin hat das Berufungsgericht jedoch bislang nicht festgestellt. Dagegen hat die Klägerin für Schäden, die lediglich aufgrund des Verdachts einer unzulässigen Dioxinverunreinigung des Futtermittels entstanden sind, nur nach allgemeinen Grundsätzen gem. § 434 Abs. 1, § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB einzustehen.

Der auf konkrete Tatsachen gestützte, naheliegende und durch zumutbare Maßnahmen nicht zu beseitigende Verdacht einer unzulässigen Verunreinigung stellt zwar, wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen hatten, einen Sachmangel der gelieferten Futtermittel dar, wenn die unter Einsatz des Futtermittels produzierten Lebensmittel (hier: Eier) aufgrund des Verdachts unverkäuflich werden. Für Schäden, die hierdurch entstehen, haftet der Verkäufer jedoch nur, wenn er den in dem Verdacht liegenden Mangel zu vertreten hat. Sein Verschulden wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet; die Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Die verschuldensunabhängige Haftung gem. § 24 LFGB (a.F.) greift im Fall eines bloßen Verdachts auf eine unzulässige Verunreinigung dagegen nicht ein, weil es sich um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handelt.

Infolgedessen haftet die Klägerin für die geltend gemachten Schäden nur dann, wenn entweder die Verunreinigung des von ihr gelieferten Futters nachgewiesen wird oder der Klägerin ihrerseits nicht der Nachweis gelingt, dass sie den Verdacht der Futtermittelverunreinigung nicht zu vertreten hat. Hierzu bedarf es allerdings noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 147 vom 22.10.2014
Zurück